Donald Barthelme

Aus «Der Tote Vater»




Das ist eine flotte Fabel, sagte der Tote Vater. Ich glaube nicht, dass sie je geschehen ist. Keine Fabel ist je so geschehen wie wir sie fabeln, sagte Thomas, aber die Moral ist immer in Ordnung.
Und die Moral?
Ermordenenen.
Ermordenenen ist nicht in Ordnung, sagte der Tote Vater. Der heilige und edle Vater sollte nicht ermordetetet werden. Niemals. Auf keinen Fall.
Ich hab keine Namen genannt, sagte Thomas.
Er starrte auf des Toten Vaters Gürtelschnalle.
Sehr hübsche Schnalle hast du da, sagte er, hab ich noch gar nicht bemerkt.
Die Gürtelschnalle war aus Silber. Sechs Zoll breit. Ein zwei Rubine.
Der Tote Vater betrachtete seine Gürtelschnalle.
Geschenk der Bürger, viele Vatertage her. Eine von mehreren hundert prächtigen Gaben, an jenem Vatertag.
Darf ich ihn anprobieren?, fragte Thomas.
Du willst meinen Gürtel anprobieren?
Ja ich würd ihn gern anprobieren wenn es dir nichts ausmacht.
Selbstverständlich darfst du ihn anprobieren wenn du willst.
Der Tote Vater schnallte den Gürtel auf und reichte ihn Thomas.
Thomas schnallte sich des Toten Vaters Gürtel um.
Ich mag ihn, sagte er. Ja sie steht mir gut. Die Schnalle. Den Gürtel kannst du zurückhaben, wenn du willst.
Meine Gürtelschnalle!, sagte der Tote Vater.
Sicher hast du nichts dagegen, sagte Thomas. Zweifellos hast du noch mehr so prächtige.
Er reichte dem Toten Vater den schnallenlosen Gürtel.
Ich hab nichts dagegen?
Hast du was dagegen?
Ja, fragte Julie interessiert, hast du was dagegen?
Ich hab die hier immer recht gern gehabt.
Sicher hast du andere genauso schöne.
Ja ich habe eine große Menge Gürtelschnallen.
Freut mich zu hören.
Nicht hier. Nicht bei mir, sagte der Tote Vater.
Du kannst meine alte Gürtelschnalle haben, sagte Thomas. Die tut’s auch.
Ja, sagte Julie, die tut’s auch.
Ziemlich gute Schnalle, meine alte Schnalle, sagte Thomas.
Danke, sagte der Tote Vater, und nahm die alte Schnalle entgegen.
Nicht so schön wie deine alte Gürtelschnalle, natürlich.
Nein, sagte der Tote Vater. Das seh ich.
Darum wollte ich deine, erklärte Thomas.
Das versteh ich, sagte der Tote Vater. Du wolltest die bessere Schnalle.
Und jetzt hab ich sie, sagte Thomas.
Er tätschelte die Gürtelschnalle.
Finde sie sieht ganz nett aus.
Tut sie auch, sagte Julie.
Ja, stimmte Emma zu.
Verleiht dir ein bißchen mehr Ausstrahlung, sagte Julie. Mehr Ausstrahlung als du vorher hattest.
Dank dir, sagte Thomas. Und zum Toten Vater: Und dank auch Dir.
Ist mir ein Vergnügen, sagte der Tote Vater. Schön etwas für euch jüngere Männer tun zu können, von Zeit zu Zeit. Schön geben zu können. Geben ist, in gewissem Sinne –
Nein, sagte Thomas, daß du klar siehst. Du hast nicht gegeben. Ich habe genommen. Da ist ein Unterschied. Ich habe sie dir weggenommen. Kapierst du das? Die Sache ist trivial, aber ich will keine Mißverständnisse. Ich habe sie. Dir weggenommen.
O, sagte der Tote Vater.
Er dachte einen Augenblick lang nach.
Wird es Trost geben?
Ja, sagte Thomas. Du darfst eine Rede halten.
Nein, sagte Julie. Keine Rede.
Eine Rede zu den Männern?, fragte der Tote Vater. Zu meinen versammelten loyalen, treuen –
Nein, sagte Julie.
Ja, sagte Thomas. Morgen.
Morgen?
Vielleicht morgen, sagte Thomas.
Meine Rede!
Ins Bett, sagte Thomas. Alle ins Bett jetzt. Träumt süß.
Thomas betrachtete sein orangenes Trikot, seine orangenen Stiefel, seine neue silberne Gürtelschnalle.
Ja!, sagte er.


Aus: Der Tote Vater



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