Birgit Kempker

Ich will ein Buch mit dir



Ich will ein Buch mit dir, sagt sie. Eine Seite ist geschrieben, sagt er, füge vielleicht vor dem Frühstück noch eine an. Man muss sich jetzt alle Hände reichen.

Er steht auf, duscht, lässt Kaffee durchlaufen, knipst den Atari an, macht das Bett und trinkt vor dem Bildschirm. Er ist ein Mann, der nicht frühstückt.

Die schlimmste Erinnerung: als ich sah, dass du mich gerade liebst in deinen Augen. Dieser wunde Austausch, essen müssen vom anderen.

Bald schreib ich dir, um nicht zu schreiben. Bald ist Schluss mit Öffnungen, den Augen. Fass mich nicht an. Ich geh nicht gut mit uns um. Mit mir hat es nicht seine Richtigkeit. Du sollst nicht hier sein. Du willst mich nur mit Nerven streifen. Ich will deine Schreibhand küssen. Ob ich dich je so anfass, wie es meine Gedanken immer schon tun? Ich will nichts verlieren, das Unmittelbare nicht, das Symbolische nicht. Ich schreib dir nicht. Ich überbrücke dich. Immer könnt ich dir schreiben. Immer kann ich es nicht. Ich bin bloss ein Stück von einem Stück, von einer Liebe kopfüber hängengeblieben.

Dein Glasbrief, schreibt er, der meinen Körper sichtbar macht, der mich zustande bringt, auf dem er liegt, den ich fresse, der mich durchsichtig macht, für den ich sogar Blut hab, dein Butterbrotpapier, das mich zu deinem Körper macht, dein Glasbrief bringt mich in solche Gefahr.

Ich war von dir umarmt und wusste nicht, wie ich hineingekommen war. Am jüngsten Tag erfahren wir, wie unser Nichtzusammenpassen, in jedem Augenblick, zusammenpasst, schreibt er, man vergisst sich nicht mehr.

Bald, schreibt er, bin ich nicht mehr. Nicht mehr ausser mir. Bald bin ich nicht mehr in dir und ausser Gefahr.

Du hast mir nie geschrieben: Ich umarme dich, schreibst du, auch nicht: Ich hol dich an meinen Körper, was man dabei gar nicht denken würde. Du hast nie geschrieben: Ich empfinde Wohlwollen, wenn unsere Körper aneinander rücken, in der Vorstellung schon, und ich? ich hab nur Haut für dich und ähnliches, und schon meckerst du.

Richtig, ich lieg falsch mit dir, find die Erregung nicht, was man alles machen kann. Ich weiss nicht, was ich sagen soll. Ich will alles wieder haben, Hände, wortlose Gegenden, alles.


(Auszug aus dem Text zu Birgit Kempkers Compact-Buch Ich will ein Buch mit dir / Kein Fleisch. Stücke)







Für Quereinsteiger: Zur Hauptseite von Urs Engeler Editor