Drei Mal Guignon








Charles Baudelaire: Le Guignon

Pour soulever un poids si lourd,
Sisyphe, il faudrait ton courage!
Bien qu’on ait du cœur à l’ouvrage,
L’Art est long et le Temps est court.

Loin des sépultures célèbres,
Vers un cimetière isolé,
Mon cœur, comme un tambour voilé,
Va battant des marches funèbres.

– Maint joyau dort enseveli
Dans les ténèbres et l’oubli,
Bien loin des pioches et des sondes;

Mainte fleur épanche à regret
Son parfum doux comme un secret
Dans les solitudes profondes.




Oskar Pastior: le guignon

ein gong lu
(ein unglog
ein glogun)
in loge gnu:
nogi lugen
gol genuin:
leguong in
gun legion –
enguglion
on guli eng –
leggin’ onu
o’nil gunge
euggonnil –
guonglien
one iglung:
gugnolien
golugnien
nein – lugo g:
neun golgi
genulongi
unglogine
ignolunge
glogunien –
oniggel nu

Aus: Speckturm. 12 x 5 Intonationen zu Charles Baudelaire



Michael Donhauser

Wie ich dieses Gedicht von Oskar Pastior las, das ich hier nun einmal ein Gedicht nenne, so querbeet lesend in den 12 x 5 Intonationen zu Gedichten von Charles Baudelaire, war ich etwas erstaunt, wusste ich doch, dass Baudelaire sehr wohl ein Gedicht auf das Haar einer Frau geschrieben hatte, doch nicht, dass es von ihm auch ein Gedicht zum Haarknoten gab – Pastiors Gedicht aber schien mir eine grossartige Versprachlichung eben jenes Knotens zu sein, indem es Vers für Vers Strähne für Strähne so aufsteckte, wie eine Schöne ihr Haar flicht und dreht und mit Nadeln befestigt zu einem Turm: (ein unglog / ein glogun) war, so in Klammern gesetzt, die treffliche Veranschaulichung eines Haarknotens, gleichsam im Handspiegel betrachtet, von der einen wie der anderen Seite – und so übertrug ich alles auf diese Verständnisweise, ein gong lu war das klangliche Ebenbild jenes Haarknotens, und in loge gnu übersetzte ich in das Bild eines Gnus in einer Loge als das Sinnbild für die befremdliche Fremdartigkeit, welche einer so geknoteten Haarpracht oft eigen ist – dass ich durch ein Missverständnis auf völlige Abwege geraten sein musste, wurde mir erst klar, wie ich das Gedicht von Baudelaire las, auf dessen Titel le guignon die Pastiorsche Intonation anagrammatisch einging, denn da war von einem Haarknoten nicht die Rede, eine Beratung im Wörterbuch aber klärte mich auf – ich hatte le guignon, das Unglück, mit le chignon, dem Haarknoten, verwechselt, und sofort erschienen alle Worte dann auch anders: aus dem haarknotenähnlichen Unding namens unglog wurde ein Unglück, das statt eines Gückaufs ein glogun nach sich zog, der gong der ersten Zeile ertönte als Schicksalsschlag, doch das Gnu in seiner Loge, es blieb, ob nun als Pechvogel oder Haarknoten, wundervoll sonderbar.




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