Olga Sedakova

Seltsame Reise




Aus dem Russischen von Walter Thümler, unter Mitwirkung von Alexander Gankin


So fuhren wir also: als wären wir in Tränen, als würd uns wehgetan vom weißen Licht.
Zu sehen, wie es aussieht, ließ ich schweifen den Blick.

«So wie deine Seele schmerzt und zerbrechen will das Sehen»,
den bösen, verzerrten Spiegel, der uns lehrte, euch nicht-zu-lieben.

So also erkannte ich, mit wem ich muß gehen.

Mein Freund, letzter und erster, nie gesehener, nur die Spannung
zwischen dem Wunsch und dem Schrecken, allein die Bewegung
zum Untergang, unterzugehen, wenn man es nicht wünscht, doch untergeht, einen Fortbestand suchend
in diesem Antlitz - das wie eine Pflanze voll Geduld.

Herz der Herzen, die sich selbst verdorben haben und verliebt sind in die Rettung.

Wir fuhren durch die Felder, und die Felder reflektierten einander leis,
Blätter flogen aus Blättern, und der Kreis wurde geradegebogen aus dem Kreis.
Oder das Wiedersehen hält ein, ein vorauseilender Garten,
wo du mich nicht siehst, aber sehen wirst, wie die Blätter schauen,
Tränen leuchten
und selbst die Materie schwört,
daß sie das Sehen war und zum Sehen zurückkehren wird.

Der Zug rast,
und die Seele seufzt über die Schale,
lebendige Fetzen auseinanderziehend wie eine barbarische, vogelhafte,
leidenschaftliche Sprache, um hervorzuholen verstehbares Wort, nur eines...
Du bist ja nicht mehr das Wiedersehen, nicht das Zerreißen des farbigen Kreises.

Ich werde fahren und nachsinnen in meiner vorherzlichen Leere,
fahren und fahren und weinen über meines unendlichen Todes Schwere...

Olga Sedakova aus: Gedichte, in ZdZ 10