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Birgit Kempker

Liebe Kunst



Über dieses Buch:
«Dieses Buch beginnt mit zwei Behauptungen/Bejahungen und mit zwei Widerrufungen/Verneinungen - es bejaht und behauptet in seinem Titel die Liebe und die Kunst und widerruft gleich in seinen ersten Worten Fisch und Vogel, indem es sagt: "Nicht Fisch, nicht Vogel". Aber so gegensätzlich und andersartig und unvergleichlich Behauptung und Widerrufung, Liebe und Fische, Kunst und Vogel - ja, so gegensätzlich oder unvergleichlich oder so reich an Ja-und-Nein die Beobachtungen, Sätze und Behauptungen in diesem Buch sein mögen, sie erzeugen und verbinden ein Thema, welches lautet: Grazie und Gnade. Und es scheint so, dass Grazie - das wichtigste zu Erreichende im Leben? - ganz besonders durch Verneinungen gefunden wird. "Gibt es eine einfache Art Ja zu sagen? Ja. Es gibt eine einfache Art Ja zu sagen, sag viel Nein, dann kommt das Ja von selbst." Vielleicht ist an diesem Zitat eine Grundform des Buchs erkennbar, eine Art von selbstwidersprechender Bewegung - nicht wirklich als Paradoxie zu beschreiben, eher als A-doxie, falls es so etwas gibt -; diese Bewegung führt zu einem Von-selbst-Kommen, und dieses Von-selbst-Kommen ist wohl Grazie. Die Grazie hebt einen Widerspruch auf, sie stellt Verbindung her - das Buch ruft auch den Schönheitssucher Goethe an: "Verbinden, verbinden, sagt Goethe, immer verbinden" -, die Sprecherin dieses Buchs spricht dabei nicht wirklich von etwas, sie spricht nicht von der Liebe, der Welt oder dem Geliebten, sondern sie erzählt davon, dass Grazie Übergang ist. Grazie? Heißt Grazie nicht: Dank? Dankt also dieses Buch für das Dazugehören zur Welt? So könnte das Buch auch heißen: Im Übergang. Im Übergang zu sein, das heißt, nicht ganz das Eine, nicht ganz der Fisch, nicht ganz das Andere, nicht ganz der Vogel zu sein; heißt, nicht Ja sagen oder Nein sagen, sondern in der Unentschiedenheit, im Reichtum der Unentschiedenheit sein. Eine Erinnerung an die nicht allzu frühe Kindheit, als die Erzählerin zu Ostern für ihre Geschwister, in einer Heidelandschaft, die Ostereier versteckt hat, "die meine drei Geschwister immer wieder neu und froh fanden und in die Taschen meiner Eltern steckten, die diese immer wieder austeilten an mich, auf dass ich wieder in die Heide geh und da Freude finde und Verrat und Scham (...) als Trickster hoppel ich von Loch zu Loch und bin doch mitten dabei in einer ungeteilten Freude zu irgendwas ganz intensiv zu gehören: zur Heide? zu den Kindern? den Eiern? dem Lob der Eltern?" Aber Birgit Kempers anderes Buch über die Liebe, über Sprache und Grazie, Als ich das erste Mal mit einem Jungen im Bett lag, ist im Februar dieses Jahres vom Landgericht Essen verboten worden und darf nicht mehr erscheinen und gelesen werden. Das Gericht sah das Recht auf Persönlichkeitsschutz im Buch verletzt. Aber es geht der Autorin ja um den Schutz der Grazie. Es gibt in uns ein unermessliches Potential an Grazie und Dankbarkeit. Eine der schönen, freien, philosophischen Stimmen unserer Zeit.«

Peter Waterhouse in: Die Göttinger sieben, Literaturtips


Aus diesem Buch:
- Gespräch mit Vogel
- Notalp
- Ein Text, der, sehr stark verändert, in "Liebe Kunst" einging, ist:
Und mimt die Enthüllung als Hülle (aus ZdZ 6), hier neu unter dem Titel: Der Unterschied zwischen poetisch.


Die Autorin:
Birgit Kempker, geboren 1956 in Wuppertal, wohnt in Basel. Prosa, Essay, Hörstücke, Texte für die Kunst. Zuletzt ist von ihr bei Urs Engeler erschienen: Iwan steht auf / Übung im Ertrinken, Compact-Buch mit zwei Hörstücken.


Bibliographische Angaben:
Birgit Kempker, Liebe Kunst
Literaturverlag Droschl, Graz, Essay 32
Broschiert, 135 Seiten, 11,5 x 17,5 cm
Euro 10.- / sFr. 20.-
ISBN 3-85420-454-X, September 1997