Worauf kann ich vertrauen?





Die Sphinx von Pontresina antwortet:

Ich kann darauf vertrauen, dass ich nie und nimmer sicher bin und auch nicht satt. Ich kann darauf vertrauen, dass dies mein Leben ist. Ich kann darauf vertrauen, dass nichts ist, was nicht mein Leben ist. Ich kann darauf vertrauen, dass ich auf nichts vertrauen kann und dass es trotzdem richtig ist, dass ich so viel vertraue wie ich kann, woraus kein Recht, nicht enttäuscht zu werden, werden kann. Im Gegenteil. Ich kann darauf vertrauen, soviel enttäuscht zu werden, wie ich vertrauen und die Enttäuschung dann verdauen kann. Ich kann darauf vertrauen, dass der Andere soviel vertraut, wie er nur kann, zum Beispiel mir, und dass ich dann den Anderen enttäusche, wenn ich nicht anders kann, und dass der Andere das dann vielleicht verdauen kann. Ich kann darauf vertrauen, dass mein Vertrauen ganz genau mit meinem Misstrauen wächst, genauso umgekehrt. Ich kann darauf vertrauen, dass ich mich nach Vertrauen sehne, genauso umgekehrt, und dass dies für das Selbstvertrauen gilt wie für das Fremdvertrauen. Ich kann darauf vertrauen, dass ich mich schäme, wenn ich allzusehr vertraue, vertrauensseelig bin und das nicht ändern kann. Ich kann darauf vertrauen, dass ich mein Vertrauen dann und wann als Misstrauen tarne und dass es dann Misstrauen ist. Ich kann darauf vertrauen, dass ich sterbe, aber nicht, dass meine Seele unsterblich ist. Ich kann darauf vertrauen, dass Vertrauen eine Grundfunktion ist, ein Trieb, so wie Atmen. Ich kann darauf vertrauen, dass der Boden mich trägt, dass mein Herz das Blut durch meinen Körper pumpt, dass mich kein Teufel frisst. Weil das alles nicht so sicher ist, vertraue ich. Wenn ich nicht mehr vertraue, bin ich tot. Ich kann darauf vertrauen, dass Worten nie und nimmer hier und da und nirgendwo zu trauen ist und also bin ich vogelfrei, darauf vertraue ich.