Birgit Kempker

Weiterschreiben




Die Uhr schlägt 12. Leopold Blatt, unrasierter Romancier und ledig, krümelt in plärrenden Nachtigallen, im Schlafrock das Hefehörnchen zwischen die frisch lackierten Zehen.
- Der Auftritt am Morgen mit Nachdruck und Farbe, liebste Berta, macht den Mann. Nichts soll schon am Morgen nicht so sein, daß nicht auch ein anderer Spaß daran hätte. Ich will nicht das schäbige Kerlchen sein, zudem ich so leicht verkommen könnte. So pupsmausleicht, Berta, sie Schwere haben keine Ahnung, keinen blassen Schimmer von meinen Möglichkeiten. Leopold Blatt trägt die Füße leicht auswärts. Zwischen den Zehen kratzen die Krumen.
Die leicht nach außen hin geneigte menschliche Senk Spreitz Plattfußanlage, die lacht und lacht und lacht und will daran nicht sterben. So rufe ich Berta Lippe, die Dame des Hauses, beleibt und zupackend hier aufs Blatt.
- Berta, bitte, japst der Held, ich ersticke, untersuchen sie meine Füße.
Berta buckelt und pickt die Krümel schnurstracks in den Schlund. Sie ist gegen das Verschwenden. Sie schluckt. Berta Lippe nennt sich heimlich schon Berta Blatt. Das wäre nur recht und billig. Für Leopold würde das billiger. Er steht vor dem Ende, vor dem versöhnlichen Schluß seines groß angelegten Familienromans.
- Zum Schluß, bei allem Gemetzel, soll bitte, Lippe, Friede sein, sagt Leopold.
Berta Lippe erwartet heute abend den Besuch überhaupt, seit sie hier im Haus ist, war ein solcher hoher Gast von ihr noch nicht erwartet worden. Sie wird an der verstorbenen Mutter statt dem geilen Bräutigam die trächtige Hand der Schwester in die Hände legen. Junge Leute haben einen Appetit, da sind wir zwei Spatzen dagegen, Blatt, da muß ordentlich aufgetischt sein.
- Und wo ist der Ort der Übergabe bitte, fragt Blatt.
- Am Tisch natürlich.
- Walten Sie in der Küche nach Herzenslust. Nehmen Sie vom Besten, für Ihre Lieben, nur vom Besten. Sie werden noch staunen, wie ich bin. Sie werden mich noch in nahe Verhältnisse ziehen wollen. Keine Angst, Berta läßt euch kurz vor dem Glück nicht im Stich. Sie steckt sich ins Kleid. Sie steckt die Zehen in den roten Lack. Sie wimmert. Heute wird ein Haus gezimmert, ihr jungen Schnutziputzis, das wirdeuch bis zum Tod zusammenbiegen.
Leopold mit den Füßen unter der Eiche mitten im Zimmer sucht den Schluß. Er fängt noch mal von vorne an: «Noch kannte der Vater die Mutter nicht mit sich selbst von innen her und auch noch nicht die Angst des Mannes vor dem Ei.»
Es klopft. Herein. Berta, Berta, wie soll ich so das Ende finden.
- Werden Sie wohl bis zum Abend fertig mit allem.
- Berta, Sie hatten immer diese himmlische Geduld. Was gehen sie die armen Rekmeps an.
- Rekmep? Wie der Bräutigam natürlich, da ist alles natürlich, in meiner Familie, Humbold heißen sie bitteschön, wenn sie heute abend nicht alles verhindern wollen.
- Lippe, wollen Sie bitte ihre Familie aus meinem Roman raus lassen. Wir sind gebeutelt genug. Sehen sie sich das ruhig an.
Leo pustet sich auf und droht zu platzen.
- Ich muß, ich will ein Ende finden. Und wenn es der Tod ist. Egal. Ganz egal. Ich töte den Vater, die Mutter, das Kind. Es will sich gegen das Ende nicht fügen. Es hat alles ganz normal angefangen und jetzt fügt es sich nicht. Es verliert sich nicht wie der Fluß z.B. Keiner will den natürlichen Tod. Keiner von denen. Die Kinder sind für mich tot, sagt der Vater, sterben will er nicht. Das Wort, das der Vater totschlug, kurz bevor es mir auf den Tisch fallen wollte, sagt die Tochter und hält nicht den Mund. Das hat sie vielleicht doch nur aufgespießt, in den eigenen Mund gestochen, in den Bauch gekrochen, sich vom Klopapier gekratzt. Sie wollen nichts verkommen lassen. Der Vater soll tot sein, sagen die Kinder, er lebt. Wie bringe ich ihn um.
Berta sitzen dieselben Worte im Schädel. Wie bringe ich Leopold Blatt herum zu mir. Er soll mich mit seinem Namen edeln und pflegen. Er soll den Tisch frei machen. Von nun an langt alles für zwei. Und für die Verwandten, wenn es dazu kommt. Sein Haus ist meines. Sein Kopf kennt in der Nacht nur meinen Kopf neben sich.
Ach Berta, Berta, Leopold ist eine Frau. Als Lore sich entschloß, die eigene Familie Satz für Satz aus dem Körper raus aufs Papier weg zu kratzen, da muß das doch ein Leo tun. Und können. Und dürfen. Ein Mann wird diesen Schandfleck mutig aus der Welt weg lecken, in die Hölle speien. Nur ein Mann.
- Es ist nur, Herr Blatt, weil ich heute abend Gäste habe, Sie wissen das, wie ich den Tisch brauchen täte. Wie konnten Sie sich auf diesen Eßtisch spezialisieren. Der für alle ist, wenn eine häusliche Gelegenheit kommt. Sicher wird der Mann, der etwas leisten will und muß, den Tisch gebrauchen dürfen in seinem eigenen Haus. In seinem Land. In seiner Welt. Das weiß doch keiner, daß ich eine Frau bin.
- Wenn ich irgendetwas schriebe, was nicht immerzu um den Eßtisch gipfeln würde, der ganze Fluch und diese Schande, immerzu in den armen Körper rein gelöffelt und die Kartoffeln, da würde ich doch mit irgendeinem Tischchen wiegerne vorlieb nehmen. Ich leb doch nicht aus Lust. Ich lebe aus Notwendigkeit.
Berta brüht in der Küche Kaffee. Sie wird den Tisch für das Familienleben, für das Glück zurückgewinnen. Sie wird dir schon in ihrer praktischen Veranlagung das Händchen hurtig führen, Blatt um Blatt, Kopf für Kopf, gerade sie mit dem Familiensinn.
- Es wird alles noch werden, sagt Berta, weiterschreiben. Berta klopft dem Mann, der jetzt aufs Ganze gehen soll, das Kissen im Rücken und den Rücken.
- Ich sehe das Problem nicht, sagt Berta, ich sehe hier am Tisch bis jetzt wirklich kein Problem, noch nicht.
- Und das hier, was ist das, Leopold zeigt.
- Nichts, sagt Berta, das ist ja nichts.
- Und wenn es eine Kartoffel wäre.
- Runterschlucken, immerzu munter runterschlucken, weg mit der Kartoffel.
- Und wenn ich nicht will.
- Du wirst Kartoffeln essen, du wirst dich nicht nur von Raritäten ernähren. Du ißt Grundnahrungsmittel, ab sofort Grundnahrungsmittel, Blatt.
- Berta, Berta, und Sie fragten eben nach dem Problem.
- Weiterschreiben, ich koche dir ein Süppchen, Süßer, ich laß dir Knochen aus, weiterschreiben, fertigschreiben, ausschreiben, totschreiben, heute abend fängt an diesem Tisch ein neues Leben an, das schwöre ich dir.
- Wenn Sie mich noch einmal duzen, Berta.
Berta geht in die Küche. Leopold baumelt mit den Füßen.
- Ich würde sie zu mir nehmen, sagt Vater Rekmep, sie kann immer bei mir wohnen. Ich hab mich wirklich wenig um euch gekümmert, Kinder, aber dass nichts da war. Ich habe immer geglaubt, das sei ganz normal, das Innenverhältnis zu euch. Es ist vollkommen in Ordnung, es ist so in Ordnung, daß ich alles tun würde. Ich bin zu jedem bereit. Soll ich Liebe sagen. Das ist doch Quatsch. Was ist Liebe. Das ist die Sorge des Vaters um das Kind. Es ist alles so, wie im Normalfall Eltern ihre Kinder zu mögen pflegen. Was soll sonst sein. Ich sehe auch nicht, was uns trennen könnte. Die Stute kümmert sich um das Fohlen. bis es selbständig ist. Das ist ganz natürlich. Ach ich weiß nicht, die vielen Verhältnisse der vielen Kinder, die außer Hause sind und wieder kommen, die vielen Enkelkinder. Das sind eben so Besuche. Was soll da sein. Ich weiß nicht, ob das nun gerade Liebe ist.
Ich habe euch Behausung gegeben. Ich bin kein Typ, der viel von Liebe spricht. Ich wollte, ich wäre ein kleiner Kacker geblieben. Diese scheiß Arbeit. Nicht Scheiße. Scheiß Arbeit habe ich gesagt. Ich habe meinen Eltern nie den Kuß gegeben. Ich habe ein kühles Verhältnis, obwohl es intakt ist, das wissen alle hier, aber Liebe, wo ist da Liebe, ich weiß es nicht, was ist Liebe, man nimmt sich nicht in den Arm, die Mutter ist sicher nicht kühl, der Vater ist nicht kühl, es ist auch nicht frostig. Frostig ist nicht das richtige Wort. So ähnlich, wie frostig. Das ist die Masche auf dem platten Lande eben.
- Und wenn ich stark bin, schmeißt du mich weg, fragt die Tochter.
- Natürlich, sagt der Vater.
Ihr seid so blöde, schreit Leo, so saublöde, da oben auf dem platten Land. Ich steck den Kopf des Vaters in die Erde, zu den roten Plastikeimern. Dann zieh ich ihm mit dem Eimer auf dem Kopf ans Licht. Der Vater lebt. Die Kinder sterben. Wenn sie den Eimer sehen, sehen sie seine Liebe und lieben. Dann sterben sie. Ich bringe euch um. Berta bringt kalte Wickel ins Zimmer.
- Welche Verschwendung, Blatt, schreien Sie nicht so rum. Sie sollen weiter schreiben.
- Du weißt nicht, was du zu wem redest, Weib.
- Ich will den blitzblanken Tisch am Abend. Ich will den Anfang.
Berta setzt sich auf Leos Kniescheiben.
- Leolein, es ist auch für dich das beste, du findest ein Ende. Es brennt dir an und stinkt.
Leo legt die Hände um Bertas Hals.
- Welches Opfer will der Geist.
Berta knallt gegen den Tisch, immer wieder.
- Wach doch auf, schreit Leo.
Berta macht sich los.
- Weiterschreiben, sagt sie böse durch das harte geschlagene Kopffleisch.
- Ich will nicht nur das Blatt sein. Ich will nicht nur der Ball sein. Ich will der Fuß sein, der nach mir tritt und das Leder, der Flug, die Wiese, die Mannschaft, der Himmel, das Schienbein, der Schmerz und das kaputte Knie. Die Trillerpfeife. Der Mund. Ich will der Triller sein. Ich will der Fußball sein. Ich bin die Gerechtigkeit.
- Dann fang an, sagt Berta, kämpfe gegen die Faulheit, ich kann dir den Kampf nicht ersparen.
Berta geht. Leopold soll um ein Ende kämpfen. Die Wurzeln der Familie liegen im Garten. Ich hab mich bis zum Dach hochgekämpft, da lachen sich die Wurzeln unter dem Haus in der Erde ins Fäustchen.
- Weh tun, sagt der Vater, was ist Weh tun. Das ist so ein Ausdruck. Was ist weh. Mir tut so vieles im Leben weh. Ich kann mir unter dem Wort, tut dir was weh, nichts vorstellen. Erläutern Sie da bitte. Tut weh, wenn sich meine Herzkranzgefäße zusammenziehen, wenn der Rücken bricht, die Knie krachen, die Nieren stechen, die Augen brennen, die Ohren sausen, wenn der Magen sauer unter den Gaumen stößt. Tut weh, wenn ich mich ärgere, was tut weh.
- Ein Eilbrief.
Berta kommt rein.
- Es ist ein Brief aus Graz.
- So öffnen Sie ihn.
Berta liest.
- So lesen sie laut.
- Wenn ich zusammenfassen darf, die Zeit rennt.
- Fassen Sie.
- Graz fragt, ob sie im Herbst das Flugzeug besteigen wollen und wenn sie noch eine Antwort auf die Frage mitnehmen würden, die hier gestellt wird, dann zahlen sie auch das Nächtigen.
- Berta, bitte, welche Frage. Wenn die mir das Nächtigen zahlen und den Flug, das muß eine ganz unerhörte, eine unverschämte Frage sein. Das wird eine Frage sein, die sie nur mir zu stellen wagen, ausgerechnet mir. Sie machen sich lustig über mich. Steht da, wem sie noch die Frage stellen.
Berta liest Namen vor.
- Tja, sagt Berta, das sind so Namen, ob die auch fürs Nächtigen reden müssen und was die kriegen, wenn sie reden, tja, mein Lieber.
Wenns kommt kommts. Die Totalabreibung. Du wolltest doch der Ball sein und das Leder und der Flug und der Fuß. Der Vater will das kalte Duschen der kindlichen Körper. Graz will eine Antwort. Leo fliegt. Lore spitzt den Bleistift.
- Was fragen sie denn.
- Warum du und ob du und wie du, dududu, weiterschreibst, du.
- Ich Krümel will zwischen Zehen kauernd durch die Welt geschummelt sein.
- Getreten.
- Warum ausgerechnet ich. Was für eine grobe Frage. Wie gemein. Ist das überhaupt eine Frage. Warum putzt du mir denn die Schuhe, Berta, frag ich dich.
- Weil du bezahlst. Weil du mich heiraten wirst. Weil du meine Zukunft bist und ein guter Mensch, Leo, der meiner Schwester mit dem Kind im Leib keine Ehe am Tisch verweigern wird, deshalb lieb ich dich.
Da frag ich sie, was Liebe ist. Der Vater wollte Herr des Kindes sein, für immer, ein Blick genügt und du bist mein. Du bist an meinen Blick geheftet.
Mich liest keiner, mich ißt keiner, mich trägt keiner zwischen den Zehen, ich jucke keinen, ich beiße keinen, ich schmecke nicht, ich heiße zwar. Das ist nicht der richtige Namen. Was ich unter meinem Namen täte. Was ich in meinem Leibe trage, gurgelt bald durch die Kanäle.
- Eine klare Frage, Leo, wenn du keine Antwort hast, räume ich den Tisch sofort. Hier soll gleich keimendes Leben hin.
- Ich schreibe weiter. Und ob ich weiterschreibe. Und wie ich weiterschreibe.
- Dafür bezahlt dir keiner den Flug und die Nacht. Willst du denn mein Nächster, daß ich weiterschreibe. Berta.
- Ich will, daß du zuende bist, Poldielein, lies mir den zweiten Satz.
- «An alles Folgende würde ich mich persönlich nur erinnern, wenn ich mir die Augen des Vaters aus den Augen und die Zunge aus der Zunge risse», liest Leopold Blatt den zweiten Satz aus: "Dein Fleisch ist mein Wort".
- So geht das nicht weiter, sagt Berta, du mußt das alles bis zum Abendessen hinter dich bringen. Lies den dritten Satz.
- «Kurz vor meiner Zeugung riß ich aus, ich wich ganz einfach etwas zur Seite und reißen Sie mal wem, der gerade entwichen ist, die Zunge raus und den Mund.»
- Nein, sagt Berta, so schon mal nicht. Die Herren haben dir ernste Fragen gestellt. Auf blöde Witze ist niemand scharf. Sie sagen, sagt Berta, alle Kunst lügt, was sagst du dazu.
- Sie lügen, sagt Leo, jeder Satz lügt. Das ist es. Fragen sie auch, ob wir weiter Sätze brauchen sollen, fragen sie das.
- Am Anfang war das Wort, sagt Berta, dann gab ein Wort das andere, mein liebes süßes Kind, sagt die Mutter, ich liebe dich. Ich habe keine Milch für dich.
- Das ist es, sagt Leo, ein Wort und die Welt ist verrückt. Was ist das denn, Liebe.
- Sie fragen nicht, ob du lieben willst. Sie fragen, ob du weiterschreiben willst, wo doch alles ringsum Sterben und Metzeln ist. Kannst du das wirklich tun, schreiben und die anderen krepieren.
- Ich bräuchte Zeit. Wenn ich ein einziges Wort rauskriegte, aus allem raus und ganz allein, was das ist, dann käme langsam das zweite, dann wüßte ich erst, nach was sie mich fragen.
- In zwei Stunden sind sie da. Du sputest dich jetzt. Wer weiterschreibt ist der Bruder des Bösen, schreiben sie.
- Fragen sie das oder sagen sie das.
- Sie fragen, ob das so zu sagen ist.
- Raus, sagt Leo, raus.
Berta geht in die Küche. Der Sieger wird später nicht gefragt, wie er den Sieg errungen. Wenn es um die Familie geht, kennt Berta keinen Spaß. Sie wählt: 23 34 45, Ursula Tannen, die Bezirkseelsorge.
- Eine nahe Seele ist in Not, Frau Tannen, hilfe. Da will der Erzeuger endlich meine Friedaschwester als Frau erkennen und das Würmchen im Leib als Kind, da wollen sie Bohnen und Möhren brechen und Braten essen, ein Leben beginnen, da räumt er nicht den Tisch dafür und alles nur, weil er den rechten Glauben nicht finden kann. Er findet das Ende nicht. Er verläßt den Tisch nicht. Wenn Sie so ein bißchen als Gott zu uns rüber kommen täten, ganz schnell, er ist gerade sehr beeindruckbar, würde das ganzen Generationen uneheliches Heulen und Zähneknirschen ersparen.
Frau Ursula Tannen steckt sich in Gottes Kleid und klopft. Herein. Das große annehmende Du des Vaters steht als unumstößliche Wirklichkeit in der Tür. Leopold weint.
- Brich doch, brich doch, nichts soll bleiben außer Ich. Hab ich dich endlich gefangen in meiner Liebe.
Ursula breitet die Arme aus. Leopold steigt auf den Tisch aufs Manuskript. Die Haare verkokeln im Lüster.
- Gott, mein Sohn, läßt nur einen Sturz zu, den seeligen Sturz. Stürze, mein kleiner Dichter, stürze. Ich hauche dir göttlichen Atem unter die Flügel.
- Schoß des Erbarmens, stottert Leo, so nimm mich.
Ursula Tannen beißt Leopold Blatt in die Nase.
- Ich ströme allen Ekel dieser Welt in deine Nase ein. Ich würge dich mit meinen Schmerzen bis du niedersinkst und dein Teil dir zitternd einsaugst. Ich preß mich in dich ein. Jetzt kannst du mich zertreten, schon mit deinen Augen.
Leo kotzt.
- Brich doch, brich, ich feg dich in alle Winde. Nichts soll von dir bleiben.
Ursula Tannengott miaut auf den Knien.
- Komm doch ohne Bangen an mein Herz, mein Süßer.
Leo kommt.
- Hab ich dich endlich in meiner Liebe gefangen. Schlaf noch tiefer Sohn. Ich nähe deine Augen zu. Ich brech dich auf. Ich dräng dich in die Ecke.
Leopold erstickt. Keine Luft, nur Tannengottatem.
- Ich hab dich gebeugt, bis unter die Nadeln, jetzt stech ich dich. Jetzt brech ich dich. Ich will dich kauen. Ich dreh dich aus der Mitte und schmeiß dich in die Angst. Du hast keine Wahl als mich.
Sie preßt ihn bis er ausgeblutet ist. Er fällt ihr zu, wie die Traube dem Messer des Winzers. Sein gebrochenes Auge liebt Ursula Tannen und Gott.
- Mach dir jetzt die Erde untertan, schreib, sagt Berta in der Tür mit Dampf im Löffel, spring mir doch entgegen. Ein fauler Fisch stinkt am Kopf zuerst. Ich halte mir die Nase zu.
- Trink mich Mund, sagt Ursula, was dir schmeckt, will ich nicht haben, was du ausspucken möchtest, das spuck mir in den Mund, du fauler Kopf.
Leo sticht dem Tannengott in die kleinen dunklen bösen Löcher.
- Berta, sagt er, ihr steckt alle unter der dumpfen Decke. Ich ersticke. Sie lügt. Sie will deinen Braten essen, die Möhren, die Bohnen brechen und sagt, daß sie mich will, daß ich ihr schmecke, wenn ich ihr gebe, was mir selbst nicht schmecken kann.
- Das kommt von Gott, sagt Berta. Das kommt von den Worten.
- Ich würde Gott gern fragen, ehrlich, was das erste Wort denn war am Anfang, ob es schon lügen konnte.
- Pfui, sagt Berta, es hätte alles noch werden können. Du machst es kaputt.
- Wenn er mir solche Leute wie die Ursula schickt, was soll ich da denken dürfen. Ich will die Welt lieber selber rufen. Ich will das Wort. Das Wort soll her.


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