Eleonore Frey

«Hier ist mein Ort»



Ich liege auf dem Bett und gehe im Liegen wohin es mit mir hin will. Mit den Augen über den Hang hinweg, dahin, dorthin; mit Blick auf den Hang, der sozusagen der Hang in Person ist, und weiter nichts, verfolge ich und wundere mich, dass das möglich ist, fünf helle Flecken, die in Bewegung sind, bald so, bald anders zueinander stehen, sich einander annähern und wieder auseinander gehen. Ich benenne die Flecken. Es sind Schafe. Andere Flecken, die nicht vom Fleck kommen, mögen Felsen sein. Oder es sind Schafe, die schlafen, am hellen Tag: Die Namen ändern nichts an dem, was ich vor Augen habe. Ich lasse den Hang im Namenlosen, lasse ihn Bild sein und sonst nichts. Gehe liegend, schwebend über in Schlaf. Bleibe hängen am Rand des Schlafs. Ob die Hagebutten blühen oder glühen, ist das Rätsel, das ich lösen muss, bevor ich einschlafe. Obwohl das keine Frage ist, weil jede und jeder ohnehin Bescheid weiss, bleibe ich hängen zwischen Blühen und Glühen, zwischen Heiss und Kalt. Bleibe ich hängen, wo die Klänge herkommen, die mein weisses Zimmer füllen und es in ein glühendes Licht tauchen. Wo der Traum noch kein Traum ist, sondern die Wahrheit, hänge ich im Ungewissen und weiss: Hier ist mein Ort.

(Auszug aus Valser Texte - Anthologie der Hausautoren)





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