Marianne Moore

der turmarbeiter




Dürer hätte einen grund gesehen, in einer stadt
wie dieser zu leben, mit acht gestrandeten walen
zum anschaun; mit der reinen meeresluft, die an klaren tagen
in dein haus strömt, vom wasser radiert
mit so regelmäßigen wellen wie die schuppen
an einem fisch.

eine nach der andern, zu zweit oder dritt, fliegen
die seemöwen über der städtischen uhr hin und her
oder segeln um den leuchtturm ohne ihre flügel zu bewegen -
ständig aufsteigend mit einem leichten
zittern des körpers - oder mausern sich
scharenweise, wo

eine see, purpur eines pfauenhalses, verblaßt
ist zu grünlichem azur, wie Dürer das kieferngrün
Tirols verwandelte in pfauenblau und perlhuhn-
grau. du kannst einen fünfundzwanzig-
pfündigen hummer sehn; und zum trocknen gebreitete
fischnetze. der

wirbelwind, pfeife und trommel des sturms, biegt das gras
der salzmarsch, verwirrt sterne am himmel
und den stern am turm; es ist ein privileg, ein solches
durcheinander zu sehn. von dem verhüllt, was
wie sein gegenstück erscheint, sind die küsten-
blumen und bäume

durch den nebel begünstigt, so daß du die tropen
aus erster hand hast: klettertrompete,
fingerhut, löwenzahn, eine salpiglossis, die tupfen und
streifen hat; ackerwinden, kürbisse
oder himmelsleitern, die am angelgarn neben
der hintertür ranken;

rohrkolben, kalmus, blaubeeren und dreimasterblume,
streifengras, flechten, sonnenblumen, astern, maßliebchen -
gelbe krebsscherenrauhe segler mit grünen blättern - schmarotzer,
petunien, farne; rosa lilien, blaue,
tigerlilien; mohn; schwarze wicken.
das klima

ist nicht günstig für feigen, roten jasmin oder
brotfruchtbäume; oder für exotisches schlangen-
leben. eidechse und natternhaut sind am fuß, falls sie passen;
aber hier hat man katzen, keine kobras, um
die ratten auszumerzen. der mißtrauische
kleine molch

mit weißen nadelpunkten auf schwarzen horizontalen
streifen lebt hier; doch es gibt nichts, was
der ehrgeiz kaufen oder stehlen könnte. der collegestudent
namens Ambrose sitzt an der hügellehne
mit seinen ausländischen büchern und hut
und sieht boote

auf see weiß und stur vorstoßen, als seien
sie in einer furche. eleganz schätzend, für die
die quelle keine prahlerei darstellt, ist ihm zutiefst vertraut
das antike zuckerdosenförmige sommerhaus
aus überlappenden brettern und das gefälle
der kirchturm-

spitze, unwirklich, von der ein mann in dunkelrot
ein seil herabläßt, so wie eine spinne einen faden spinnt;
er könnte teil eines romans sein, aber auf dem gehsteig
verkündet ein schild C. J. Poole, Turmarbeiter,
in schwarz und weiß; und eins in rot
und weiß sagt

Achtung! der kirchenportikus hat vier kannelierte
säulen, jede aus einem einzigen stein, durch kalk-
weiß bescheidener gemacht. dies wäre ein passender hafen für
strolche, kinder, tiere, häftlinge
und präsidenten, die sünden-
getriebene senatoren

belohnen, indem sie nicht über sie nachdenken. der
ort besitzt eine schule, eine poststelle in einem
laden, fischhallen, hühnerställe, einen dreimastigen schoner
auf helligen. der held, der student,
der turmarbeiter, jeder auf seine weise,
ist hier zuhaus.

es kann nicht gefährlich sein, in einer stadt
wie dieser zu leben, mit einfachen leuten
und einem turmarbeiter, der warnschilder an der kirche aufstellt,
während er den fest verankerten
stern vergoldet, der auf einem turm
für hoffnung steht.


(Übersetzung von Jürgen Brôcan zu The Steeple-Jack aus
Kein Schwan so schön)



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