Birgit Kempker

Roman der Vergessenen in einem Schloss




Jemand ist das Tor, jemand ist das Schloss und niemand ist zuhause, so ist das immer zuletzt. Im Herz fängt es an. Wenn sich die Arme auflösen, wenn es keine Hände gibt, hält das Herz die Stellung. Es hält das Verlorene fest. Es krampft sich zusammen und strengt sich sehr an. Dann kommt der Vogel geflogen und pickt es weg. Meist rot. Dann schwebt der Kopf ein Weilchen über dem Verlorenen, dann bleibt er stehen. Meist grau.

Er ist nicht der Mond, er ist nicht die Sonne, doch er weiss von Frau Holle, die über der Höhle schwebt und sie ausfüllt mit ihrer Hülle und ein ganzer Roman ist auf diese Weise, der die Welt zusammenhält und vom Schloss erzählt, in denen diese eng umschlungen sind, die niemand sind.

Köpfe rollen, Herzen werden gefressen und Arme, Hände und ganze Körper gehen verloren und doch gibt es Tore, durch die Wasser fliesst und Schlösser, in denen Verlorene sich verlieren und Herzen die Stellung halten, weil alles fehlt.

Und wie der Kopf so durch die Gebirge rollt und Ausschau hält nach sich selbst und weil er ein Kopf ist viel denken muss, muss er Brautschau denken, da muss er lachen, denn da sind sie ja, seine Arme und Hände: sie fliessen durch die Tore, und wo Tore sind, sind Schlösser und da sind sie ja: all die Verlorenen fliessen.

Brenn Kirsche, sagt der Kopf zum Herz, nachdem es brannte und weggepickt war, um wieder auf dem Hals zu sitzen vergeblich und auf die Füsse runter zu sehen, um also ein Mensch zu sein im Gebirge nachträglich und nicht ein rollender Kopf.

Da schlagen im Schloss die Vergessenen die Hände in die Schösse. Die Schösse sind das Vergessenste und dann erst die Hände. Im Schlosspark schwimmen die Schwäne zueinander. Die Hecken um die Schlösser wachsen riesenhoch und manchmal, wenn der rollende Kopf Steine stösst, Lawinen löst, Tiere verletzt und Büsche reisst, wenn er im Bachbett wütet und keine Ruhe gibt, dann kommt dem Gebirge die Galle hoch. Es ist der Bitterstoff und Zeit für Ablagerung.
Graugrün. Es ist Zeit in den Teich zu sehen. Die Gehülfen im Schloss. Kafka fehlt nicht. Ein Brief kommt geflogen. Die Schwäne verneigen sich. Frau Holle schüttelt die Kissen auf die Erde nieder und jemand schlägt die Augen auf den Satz: Objektiviere die Hölle und ein Kopf rollt durchs Gebirge und denkt an Kleist, das objektiviert.


Für Quereinsteiger: Zur Hauptseite von Urs Engeler Editor