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Tim Krohn

Revolution mit Hund, die Zweite: 16. Szene



(Margarete stand eine Weile in der Tür und kommt jetzt in den Raum.)

Margarete zu Petja
Gott, ist das ein Saustall. Wolltest du nicht einen Partyservice beauftragen?

Petja
Habe ich ja. Fünf Leute. Sind letzte Woche alle in den Westen.
(Margarete geht zum Samovar und liest ein Zettelchen.)

Margarete
Axels Hochzeitsgeschenk. Süsse Idee. (Zum Alleinunterhalter) Danke, ist schon in Ordnung, der bleibt hier. Steht unten noch mehr rum?

Alleinunterhalter
Ich werd mal nachsehen.

Margarete
Lassen Sie sich Zeit. (Sie giesst Wodka in zwei Becher und reicht einen davon Petja.)

Margarete
Können wir reden wie erwachsene Menschen?

Petja
Versuchen wir es.
(Sie setzen sich an die Rampe. Szene ohne jede Theatralik.)

Margarete
Also ist es wahr?

(Petja zuckt mit den Achseln.)

Margarete
Dumme Sache, nicht?

Petja
Ja. Tut mir leid.

Margarete
Die lassen dir tatsächlich keine Wahl?

Petja
Ich sehe keine. Es geht ja auch nur darum, die Hochzeit um zwei ...

Margarete
Warte. Ich will das erst verstehen. Wenn du ins ZK gehst, hast du völlig freie Hand, was den Osthandel anbelangt. Mit dem Westen musst du etwas kürzer treten, damit es nicht gleich Kapitalflucht undsoweiter heisst.

Petja
So ungefähr.

Margarete
Wobei du noch gar nicht sicher weisst, ob die dich auch wirklich nehmen.

Petja
Nicht hundertprozentig. Neunund...

Margarete (unterbricht ihn)
Wenn du jedoch ablehnst, für das ZK zu kandidieren, dann werden die misstrauisch, setzen dir eine Laus in den Pelz, und womöglich entziehen sie dir die Exportlizenz für die Westmärkte gleich ganz.

Petja
Vermutlich. Allerdings weisst du ja, dass die ...

Margarete
Nein, warte, warte. Ich blicke noch nicht ganz durch. Der springende Punkt ist also der, dass du nicht gleichzeitig das ZK, deine Firma und mich haben kannst - zumindest nicht, solange ich Dr. Hessels Kakaoprodukte manage?

Petja
Momentan nicht gleichzeitig haben kann. Die Lage wird sich sehr bald ändern, beginnt sich ja schon zu ändern. In ein paar Monaten werden die die Bestimmungen schon nicht mehr so strikt anwenden, und in ein, zwei Jahren haben wir ein neues und liberaleres Handelsgesetz, dafür kann ich sorgen ...

Margarete
Möglich, das interessiert mich jetzt aber nicht.

Petja (hat Einwände)
Na ja ...

Margarete
Hast du dir schon mal überlegt, die Firma für mich aufzugeben?

Petja
Ja. Aber was dann? Soll ich unseren Haushalt führen? Meine Güte, ich kann Karriere machen - ich stehe auf der Leiter, Margret!

Margarete
Nenn mich nicht Margret.

Petja
Würdest du deine Karriere für mich aufgeben? Das wäre auch eine Variante.

Margarete
Nein. Ich meine, würde ich nicht, nein. Zwei Jahre, sagst du?

Petja
Zwei, drei Jahre. Höchstens.

Margarete
Höchstens. (Sie denkt lange nach.) Schön, blasen wir die Hochzeit ab.

Petja
Ja. Danke. Also für den Moment.

Margarete
Nein. Wenn schon, denn schon. Ich weiss nicht, was in zwei Jahren ist.

Petja (erschlagen)
Aber ...

Margarete
Es ist möglich, Petja, dass wir in zwei Jahren heiraten. Möglich, wenn auch nicht sehr wahrscheinlich.

Petja
Bitte nenn mich nicht Petja.

Margarete
Ach, lass mir noch die kurze Zeit das Vergnügen, ja? (Sie steht auf, holt eine Flasche und schenkt nach. Prostet ihm zu.) Gratuliere übrigens. Falls es nicht zu früh ist.

Petja (jämmerlich)
Ich weiss nur noch, dass ich dich liebe.

Margarete
Tja. Dumm gelaufen, würde Frau Melanchton-Krabbe sagen.

Petja
Wer?

Margarete
Vera. Vera Maria Olga Melanchton-Krabbe.

Petja
Und was wirst du jetzt tun?

Margarete (lacht)
Mich totsaufen. Mir die Seele aus dem Leib vögeln lassen. Irgendwas wird mir schon einfallen. Übrigens geht dich das nichts an.

Petja
Ich meinte geschäftlich.

Margarete
Was willst du hören?

Petja
Ich hatte Axel vorgeschlagen, eine Exportfirma unter seiner Leitung zu gründen, um die Ostmärkte flächendeckend abzugrasen.

Margarete
Flächendeckend abzugrasen - nennt man das im ZK so?

Petja
Ich wollte dir vorschlagen - das heisst, Axel sollte dir vorschlagen, dass er den Vertrieb deiner Produkte mit übernimmt, ich glaube, ich könnte das regeln. In zwei Jahren - nach Ablauf dieser ominösen zwei Jahre hätten wir beide den ganzen Ostraum erobert, die Sowjetunion, Mitteleuropa, womöglich sogar China.

Margarete
Wer ist «wir beide»?

Petja
Axel. Unsere Produkte.

Margarete (denkt kurz nach)
Ich glaube, ich mache das lieber selber, auf meine Tour.

Petja
Und was ist «deine Tour»?

Margarete
Meine Tour ist, dass du aufpassen solltest, dass ich dir nicht eines Tages deine wertvollen Puddingwerke unter dem Hintern wegziehe, Petja-Liebling.

Petja (getroffen)
Augenblick - wirst du jetzt persönlich?

Margarete
Alles rein geschäftlich. (Gelassen) Mal sehen, wo eure wunderbare sozialistische Planwirtschaft in zwei, drei Jahren steckt.

Petja
Warte, das heisst doch nicht, dass wir uns jetzt - Er kapiert und beginnt zu heulen.

Margarete
Doch, das heisst es. Das ist eben meine Tour, Petja. Du hättest mich ja heiraten können.

Petja
Wenn du mich auch nur ein einziges Mal gebeten hättest - Ich hätte alles aufgegeben ...

Margarete
Hättest du?

Petja
Ja, hätte ich ... Würde ich ...

Margarete
Ich bin nicht gern jemandem zu Dank verpflichtet. (Sie reicht ihm die Hand.) Feinde?

(Petja zieht seine Hand wieder weg.)

Margarete
Feinde. Wir sehen uns auf der Messe. (Sie geht etwas schwankend ab.)

aus: Bienen, Königinnen, Schwäne in Stücken


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