Pressestimmen zu Biagio Marin





In Marins dichterischer Welt sind allein die Gegensätze von Dauer: Lebendiges Licht und die Nacht der Auslöschung, Gehen und Verwehen, Gott und Immer wieder die glatte Negation im «nichts». Und nur wer dieses Spannungs-verhältnis, aushält, sich darin hält, kann sagen: «Die Sonne, das Leuchten, das Wasser, das Brot / lohnen die Kämpfe und Wunden.» Mit der Übertragung, die Peter Waterhouse maßgeblich gestaltet hat, wird klar, dass es sich bei Biagio Marin um einen Dichter ersten Ranges handelt. In der Gegensätzlichkeit allen Lebens suchen seine Worte «Lichtung».
Das ist auch ein Wort Heideggers, ein anderes ist «Gerede». Marin ist ein Dichter jenseits allen Geredes. Seine lyrische Rede hat Wert, gibt Sinn und man hofft, dass weitere Texte Marins übersetzt werden mögen. Denn mit Biagio Marin kann man lesend ein Stück des Weges gehen und sagen «la vita va via». Es sich sagen und wieder sagen, bis einem der Doppel- und Dreifachsinn der Worte in der eigenen Sprache zufällt: «das Lebendige lichtet.» (Andreas Puff-Trojan, Süddeutsche Zeitung)


Die Verse Biagio Marins sind einfach, klar, beinahe karg. Die Worte «Deine Augen erzählen / und Abendlicht ist erzeugt / und Frühling leuchtet / und Wolken stehen» sprechen genaugenommen nicht, denn sie spiegeln nur eine Welt des beredten Schweigens, archaisch, die sich lautlos in einem ewigen Kreislauf dreht, weil sie eigentlich ohne Sprache auskommt, sich ohne Sprache antreibt. Der Grund für diese Zurückhaltung liegt deutlich sichtbar im blaugrün schimmernden Wasser der Lagune, denn «bin ich nach Welt begehrlich / und Summen und Zahlen, / verlier ich den Namen / des Meeres». Das Gefühl von Ewigkeit taucht im Zusammenhang mit Marins Dichtung unweigerlich auf, aber nicht als Aromagemisch mit Sehnsucht ins Unvergängliche, Dauer wird in ihr nicht als Fluchtersatz vor der Welt mißbraucht. Auch Romantik ist ohnehin nur ein Wort der Städte.
Die Rede der Menschen auf Grado ist naturgemäß langsam, «…ein Flüstern: / ein leises Segeln / vor tonloser Küste», sie wurde jahrhundertelang eingefärbt von der Landschaft und der Kultur, «ihr Mund ist eine Monstranz […], zu Ende gebracht das letzte Wort / wie nach dem Sommer die Welt.» Niemand berechnet hier die Zeit und ihr Antipode Ewigkeit am Weggang und am Fortschritt, sondern im steten, dauernden Maß des Lichts. Der Mandelbaum, der blüht, «der hat nicht damals begonnen / und ist nicht von heut: / er gehört einer nackten Zeit / täglicher Sonnen.»
Marins Verse leben wie die Wellen des Meeres von der monotonen Wiederkehr weniger, sich naher Worte, ähnlich einem Gesang, sie scheinen gleichförmig wie die Horizontlinie zu sprechen, an der sich das Meer vom Himmel trennt. Aber unter der Oberfläche liegt «Besessenheit», wie Pasolini schreibt, die Gedichte nehmen «Züge der Anapher und Litanei an. Das viele Wiederholen ist wahrhaft verrückt.» (Cornelia Jentzsch, Basler Zeitung)


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