Pressestimmen zu Wladimir Majakowski / Alexander Nitzberg





Das im Kriegsjahr 1915 entstandene Poem «Wolke in Hosen», dessen eigentlicher Titel «Der dreizehnte Apostel» von der zaristischen Zensur verboten wurde, formuliert in seinen vier lyrischen Exkursen über Liebe, Revolution, Poesie und Religion ein neues Evangelium. Mit kräftiger Umgangssprache im hohen Odenton verwandelt der Dichter seine Liebesklage in die Klage aller Leidenden, preist das Leben über alle Buchweisheit, rebelliert gegen Gottes menschenfeindliche Ordnung und sagt nebenbei die russische Revolution voraus. Majakowskis Markenzeichen, die vielfältigen Stamm-, Binnen-, Stabreime, welche die vom rhetorischen Impuls getragenen Verse zusammenhalten, verleihen dem Werk eine zwingende Wucht, die in einer Übersetzung nachzuahmen ebenso wichtig wie problematisch ist. Dies hat mit seiner Neuübertragung nun Alexander Nitzberg unternommen, der beansprucht, Majakowski endlich als Sprachneuerer zur Geltung kommen zu lassen. (Kerstin Holm, Frankfurter Allgemeine Zeitung)


In seinem ersten Drama wie in seinem ersten grossen Poem hat Wladimir Majakowski die futuristischen Postulate, die damals in zahlreichen Programmschriften mit revolutionärem Furor vorgetragen wurden, produktiv umgesetzt. Traditionsbruch, Innovationswille und Prioritätsanspruch waren auch für ihn die Voraussetzungen einer Dichtkunst, bei der es mehr auf das Sagen der Sprache als auf die Aussage des Autors ankam, die das «Wort als solches» – das Wort als Klangereignis oder als bildhaftes Skriptum – dem Wort als Bedeutungsträger vorzog, die den kühnen Reim ebenso wie die kühne Metapher kultivierte und die im Übrigen mit Gott und dem Zaren, mit Spiessern und Akademikern gleichermassen erbarmungslos ins Gericht ging. «Ich flehte, / fluchte, / das Messer zückte, / verbiss mich in Schenkel, / schrie permanent … / Vibriert meine Stimme / – ein rohes, tristes / Geläster – fortwährend / durch alle Säle, / schnuppert womöglich Herr Jesus Christus / am Vergissmeinnicht meiner Seele.» Scharfe Satire und larmoyantes Pathos, Witz und Zärtlichkeit, Dissonanz und Melos verbinden sich bei Majakowski zu einem unverwechselbaren lyrischen Parlando, dem kein Register zwischen Gassenhauer, Gebet und arationaler Wortakrobatik fremd ist. (Felix Philipp Ingold, Neue Zürcher Zeitung)


Im furiosen Schlusskapitel von «Wolke in Hosen» inszeniert das liebesnärrische und rauschbereite Ich den Angriff auf Gott. Es ist schon erstaunlich, dass dieses ketzerische Evangelium eines Rebellen, dieses stilistische Wechselbad aus überhitztem Expressionismus, larmoyantem Liebes-Pathos, blasphemischem Wutschrei und alltagssprachlicher Derbheit, auch noch fast hundert Jahre nach seiner Niederschrift seine poetische Frische bewahrt hat. Dass die poetische Hass-Energie und die ästhetische Virtuosität des frühen Majakowski uns auch heute noch erreichen, ist ein unzweifelhaftes Verdienst der Nitzberg-Übersetzung. Tatsächlich gelingt es dem Übersetzer, für die von ihm präzis analysierte Reimtechnik Majakowskis mit ihren vielfach verschlungenen Binnenreimen und Assonanzen sehr dynamische und bildkräftige Entsprechungen zu finden. (Michael Braun, Frankfurter Rundschau)


Keinem Übersetzer ist es bisher gelungen, die neuartige Reimtechnik im Deutschen zum Klingen zu bringen. Nitzberg, der das Russische und das Deutsche beherrscht, hat das geschafft und damit auch mancher dunklen Stelle einen Sinn gegeben. (Karlheinz Kasper, Neues Deutschland)


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