Birgit Kempker

Meine Hände sind...




...voll. In jeder Hand ein Igel. Wie soll das gehen, meine Romandie, und die Hände sind voll? Verstehen wir uns, sagt Denis, entendons-nous, es gibt das Eigentliche und das Figürliche, es gibt das besitzergreifende Fürwort, und es gibt la main, die Hand, die ungebundene, und es gibt die Romandie, und: entre nous, ma chérie, gehst du per Hand in die Romandie?
Denis, sag ich, unter uns, wie denn sonst? Schreib du mal: meine Romandie, und schreib mir dann, wenn nicht mit der Hand, dann bitte auch mit ruhiger Hand, Denis, wie. Denis schreibt, Kempker, stell dich nicht an, geschrieben wird, was man schreiben kann.
Ich schreibe: mein lieber Denis, mein Schreibreflex löst sich nicht von meiner Hand. Denis schreibt, such den Auslöser. Ich schreib, ich hab den Auslöser, Schuld ist das Possessivpronomen. Ich komme an den Gegenstand, wenn er meiner ist, per Wort, mit Wort nicht ran. Liegts am Dialog, fragt Denis, nimm Logik! und fügt an: eigentlich ist hier per pedes dran.
Ich nehm Denis beim Wort. Ich nehm Logik. Mit Logik ist meine Romandie, wenn sie meine Romandie ist, ganz bestimmt nicht meine Romandie, denn meine Romandie ist die, wenn Holz aus Hand auf Fuss, Handtuch von Schulter in Russ, Tasse an Kopf, ich spüle meine Teller nicht, jetzt, sagt Denis, Lupe, Romandie, sag ich, das ist, wenn du mit Holz und Handtuch Treppe hoch vom Keller oben durch Tür mit Hüfte Wäscheständer zu Fall stösst, angeknackt vom Tritt des Adoleszenten gestern in die Scharniere, knickt ein wie Kamel in Wüste, ich spüle meine Teller nicht, Tasse fliegt durch Flur, Tür knallt, Adoleszent schreit, Romandie ist die, wenn du morgens mit Holz in Hand vor Wäscheständer geduscht in Wüste stehst, auf rechtem Oberhalsknochen zwei rote halbharte Bleistifte knackst, gewinnst daraus vier, schiebst sie ins Scharnier. Hebelwirkung. Schräg steht der Ständer in der Wüste, Romandie, wenn dir die Ratte von links ans Handgelenk springt, wenn dir die, Ratte den Strich auf den Puls nagt, wenn du da stehst mit der Furche links am Anfang der Hand in jeder Hand ein Igel und du im Flur, die Ratte nagt, der Bleistift bricht, Ameisen, Bienen, Fliegen, von rechts, von links, ab nach Biel.
Verwechsel Logik nicht: mit Verwechseln, sagt Denis, Flur nicht mit Flucht, was dir gehört nicht mit dem, was deshalb nicht sein kann: Wanzen, Romanzen, Romane, Nomade, Romandie. Analogie. Spatzen und Igel. Dächer und Berge. Tauben, les Taupes und die Topographie. Chevaux, cheveu, Pferde, perdre, Spatz, Prärie. Onomatopoieia. Mes cheveux se hérissent, auf dem Berg steht jedes Haar von mir, und ich? Und er: «Et tout en disant cela, de la main droite, il s'était saisi les doigts et le poignet de la main gauche; et il les renversait en dessus; en dessous, l'extremité des doigts touchait au bras; les jointures en craquaient; je craignais que les os n'en demeurassent disloqués» und ich, et moi: «est-ce que vous connaissez ce sentiment-là?» und Denis: verwechsel nicht.
Denis wechselt den Ton. Kempker, sagt Denis, willst du das Besitzergreifen mit Igeln ausfüllen? Avec les hérissons? Und ich frag mich, denkt der sich, ich soll auf Igeln in die Romandie? Aus. Gelöst. Natürlich, auf Igelfinken. Auf Igelfinken!


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