Birgit Kempker

Was hab ich in Meppen zu suchen





Gute Frage. Sie ist von meinem Anwalt. So liebe ich das. Wie immer, wenn es bei mir im Schwarzen sitzt, lachte ich, schallend, glaube ich, als sei eine Kröte geplatzt, inwendig, oder ich, oder auf die Windschutzscheibe, mit Blut, wie in Magnolia. Cinema.

Ich hatte was in Meppen zu suchen, deshalb fragte er, wofür ich ihn küssen könnte. Wenn Anwälte vorkommen, ist Vorsicht geboten, schon vorher. Wenn Küssen vorkommt auch. Erst recht in der Kunst.

Küssen kommt im Leben vor und in der Kunst. Das Gemeinsamste ist der Name: Küssen. Küssen ist selbst im Leben nicht dasselbe, und beileibe nicht in der Kunst. Und doch ist einer aus der Kunst herausgekrochen, ein menschlicher Leib, aus dem Kaninchenloch stracks ins Gericht und schrie und zwar lauthals: Hier bin ich. Ich erkannte ihn nicht.

Der Anruf kam aus Pisa, Schillerinstitut, setzen Sie sich, hier steht er, Ihr Held, sagte der Boss, er verlangt Genugtuung. Ich mochte den Schillerboss. Boss, sagte ich, er ist es nicht, das hab ich nicht geschrieben. Mein Held steht nicht in Pisa und verlangt Genugtuung. Er wurde in Pisa identifiziert, sagte der Schillerboss, und zwar von seinem Pisaboss und zwar Punkt für Punkt mit dem Übel, meine Liebe. Welches Übel, frag ich. Das Buch, sagt er, es soll weg, mit Stumpf und Stil, und sind Sie nicht willig, braucht er Gewalt.

Und er gebrauchte. Er zerrte mich vors Gericht und ich fragte mich, warum, erst recht, wenn er es ist, wovon ich nicht weiss, was es ist, in wessen Gottes Namen verbietet er sich? Ich hatte es mit jemandem zu tun, der partout etwas zu sein anstrebt, was er vernichten will. So kam es zu meinem ersten inkriminierten Corpus.

Die Kunst ist vogelfrei. Wer schiessen will, schiesst. Die Kunst wehrt sich nicht. Sie greift nicht an. Sie verwandelt. Was einfallen will, fällt ein, das ist die Kunst, eine Einflugschneise. Ich sage Piste.

Einer ist jetzt mein Küster, weil mir sein Name gefiel. Küster ist ein Deckwort. Meines Küsters Name nahm mich als Schub, der mich wohin katapultierte, wos ihm nicht gefiel, meinem Küster, der schwer trug am Schub, wo er nicht hin gehört.

Bilder, sagt mein Küster, Bibel, Ordnung, Botschaft und der Bildung fester Füsse Sinn. Säbel nicht am Tisch, von dem du speist, falscher Apostel, lerne die Lektion. Ja, sag ich fröhlich, Aristoteles, ich liebe Einheiten inniglich, Aristophanes, Frösche, ich kenne diese Füsse wie das Grün, durch das sie gehen, ich wollt, wir würden uns oben und unten mehr herzhaft verstehen. Ich denke Auferstehung, Resurrection, Himmelfahrt, der Väter Schnaps und Jubeltag. Ich denke auch Zugrundegehen. Im Flussbett stehen, warum muss mir das geschehen.

Es ging nicht um Verstehen. Es ging darum, etwas einzuhalten. Ich wusste nicht, ob ich es versprochen hatte, ob ich es gebrochen hatte und mir recht geschah, ob es nicht immer schon per Mensch versprochen ist, und ich war ausgebüchst.

Wenn ich das erste Mal vor Gericht steh, ist es Meppen. Meppen ist ein Deckwort. Es wird in Meppen sein, dachte ich, du stehst in Meppen vor Gericht, und was ich dabei anzieh. Ich stand vor meinem Schrank. Kein Stoff schien mein Fleisch auf die Art zu kleiden, dass ich nicht weinen muss. Ich staunte. Was für ein Satz. Ich schämte mich dafür vor meinem Schrank. Ich wollte, dass ich mich nicht schämen muss in einem Gericht dank der Quadratur der Hüllen, die ich um mich scharte, so sehr auch wer an mir schabt, oder innerlich, das Wort war: Contenance, und weinte ich, wärs der Zwiebelhaftkeit meiner Schalen wegen. Ich wär, auch wenns nur ein Gemüse wär, gedeckt.

Gedeckt? Ich sah, wie ich mit Schirm, Stock, Melone falsch gewickelt schonungslos in dieses Dickicht reiste, in diesen Prozesskasumpel, um dieses Etwas kreiste, in diesen Meppendschungel, ich sah in diesem Medienrummel, Mädchenfummel? ich sah, wie sich mein Küster vor allen Augen via Stellvertreter ungestraft und also hemmungslos und bohrerhaft in meine Fantasie hineinidentifiziert, ich sah, wie ich das alles sehe und sage: meine Fantasie, hohes Gericht, täte dies nicht. Fantasie ist ein Deckwort. Natürlich. Wir lagen in einer Verwechslung. Wir selber nicht. Trotzdem taten wir so. Ich fühlte mich nicht entsprechend gekleidet, was aber fehlte, war das Ritual.

Es fehlte Umgang mit Magie und Unterscheidung. Es fehlte der Ort für den Geist und die Geister. Es fehlten Felder und Flug, Übersetzungen. Es fehlten Federn. Es fehlte soviel, nicht der Schmerz, nur das Gefühl. Es fehlten keine Sorgen, keine Systeme, die die Sorgen erstickten mit Identität, was ist und was nicht ist, wie Folter, und dazwischen nichts, was nicht zum Ausrotten reizt. Ich wollte nicht zum Ausrotten reizen. Ich wünschte Komplexität ohne Strafe. Ich wünschte Komplexität als Genuss. Ich wünschte Komplexität als wilden brennenden Busch, aus dem sie vergeht und entsteht. Ich wünschte verwunschen und gewünscht mit Verwunschenen und Gewünschten zu sein. Ich hatte Lust zu leben.

Während ich mich in diese Wirrnisse zu vertiefen zu verstricken dachte, dachte ich über die Kleidung meines Küsters nach, ob ich ihn anrufen soll. Ob mein Küster dick geworden ist, sehnig, bitter, Schokolade und Bananen isst. Ob er Tennissocken trägt, Rollkragenpullover, gestreifter Seidenpyjama, Minigolf, Wildlederschuh, Foulard, sagt er Foulard? Sagt er Schal? Schiesserschlüpfer. Nylonsocken. Kaschmirweste. Silbervolvo.

Hat mein Held Haare auf dem Hintern? Waren die Hände wirklich so schön? Was war das Matrosenartige an ihm? Liebt er Schottenmuster? Liebt er Blau? Vollkornbrötchen? Filterkaffee? Busenwunder? Heissen Kakao?

Dann diese Stimme. Oh du mein Pisa. Pisa ist ein Deckwort für Verschiedenes. Ich hau sofort den Hörer aufs Knie. Wut und Enttäuschung, mickrige Worte. Noch mehr Wut und Enttäuschung. Noch mickriger die Mickrigkeit dieser Worte für die Wucht dieser Wut und Enttäuschung. Mein Wunsch wuchs masslos, ich möge mich nach meines Küsters Stimme sehnen, nicht ekeln. Meine Knie zitterten vor Enttäuschung. Mein Magen führte spastische Zuckungen aus. Mein Mund kollaborierte mit meinem Magen. Sein Inhalt schoss durch ihn auf mein Knie.

Die Stimme meines Küsters sagt, ich soll eine andere Nummer nehmen, auf englisch, dann wie japanisch, halb finnisch. Wie sind all die Korken in deine Leibeslöcher geraten, lieber Freund? Wie bist du so radikal in dich selbst verbunkert? Wie fing dein Verbiestern an? Wer hat dich hoch bigott gerecht aufs Pferd, in diesen Heldenharnisch rein plaziert, dass du blind verblendet bist und nach mir stichst?

Wieder ruf ich in Pisa an. Er schläft selten unter dieser Nummer, sagt eine Stimme, weiblich, ohne Korken, sie weiss von der Sache, Sache ist ein Deckwort, und lacht, ich will wissen, was er anzieht vor Gericht, dass er mir keine Schande macht.

Warm. Mein Kochlöffel steht in der Luft. Die Sache rückt näher. Ich steh auf allen Vieren, mein Hinterteil wie beim Entenlied in der Luft. Entenlied ist ein Deckwort. Hinterteil nicht. Der Topf riecht nach Eisen, darunter Zucker. Zimt? Es handelt sich um Scham. Ich fühlte mich ganz deutlich für das Auftreten meines Küsters verantwortlich. Ich schämte mich im Voraus für meine Figur. Ich sah ihn im beigen Anzug, senfgelbe Krawatte, spitze Lackschuhe, Taschentuch, Finger, Fingernägel.

Ich sah ihn gar nicht erscheinen, dafür seinen Stellvertreter noch viel hässlicher ihn vertreten. Ich sah das Gerichtspersonal. Pistolenschleuse. Die blauen Plastiktüren. Die Flure. Die roten Kunststoffsessel. Die Schilder an den Türen mit den Namen. Die Treppen. Gerichtsessenluft. Ich hörte den scheppernden Lautsprecher Namen ins Gerichtszimmer rufen. Ich sah die gelben Gerichtsvorhänge. Die Gerichtsbänke. Der Stellvertreter. Die drei illiteraten Damen. Ich sah die zwei Gerichtsfotografen. Wenn ich einen Gerichtsfotografen bräuchte, mit vollem Namen, gestatten, Wibold, sagt er, wie blöd, es sei ihm eine Ehre, sein Namen in meiner Geschichte.

Da sah ich den Gerichtsreporter mit dem Mikrofon ganz nah an meinem Mund den Satz ausstossen: «Wie war der Sex mit, hier Deckwort.» Sex? Ich sah all die Ägypter, die ich früher in dieser Stadt, den Lehrer küssend, sah. Ich sah auch die Etrusker und die Präraffaeliten und Wietkiewicz, die Bilder in den Vitrinen, «Die Nonne und das Huhn» und «Unersättlichkeit», das war mein Meppen gewesen.

Mein Wunsch drangsalierte mich, mein Küster möge gut aussehen, oder sehr gut, doch ich sah den gelblichen Schleier auf seinen Augen, der puritanisierten ramponierten Leber, der Nieren, der schreienden Milz, des gebrochenen gestochenen zermarterten enttäuschten vor Angst sich verzehrenden zitternden bibbernden Herzens wegen. Herzeleid. Ich suhlte mich in Adjektiven, um abzulenken von Fragen, die nichts als Ablenkung waren. Ich hatte solche Horrorangst davor, eines Tages nackt zu stehn. Ich sagte mir: frag. Was war sein Geheimnis? Was war der Fluch seiner Sippe? Was ist meines Küsters Begehren?

Ich war in dieser berühmten goethischen Situation, meine Geister plagten mich gehörig, die ich rief. Es war alles in Ordnung. Goethe war nicht die richtige Antwort auf die Bekleidungsfrage. Aber warm. Hatte ich nicht die richtige Frage gestellt? Wieviel Feigheit kann ein Mensch in sich unterbringen und wieviel Urteil und Strenge deshalb?

War dieser Name, hier Deckwort, zu schön für diesen Mann? Schönheit tut weh. Will mein Küster das Wehtun verschieben? Bin ich Garage, also Unterstand in diesem Sinn? Was hüte und bewahre ich für ihn? Auf was legt er mit seinem Gebaren und Helfern den Finger, was ich nicht seh? Was ist das für ein schlimmer Finger? Was ist dieser Finger für eine Verlängerung von was und von wem?

Wie bin ich so maulwurfblind mitten hinein gestossen ins Familienschwarz? Ist das die Frage? Warum liebt er das nicht? Warum fühlt er sich nicht auf zarte frohe Art, warum fühlt er sich nicht kunsterkannt und glücklich aufgehoben in der Schrift? Warum fühlt er sich nicht frei? Warum strahlt er nicht wie Gold? Warum glänzt er nicht genauso wie sein Name? Ich sage, er mag Entsprechungen nicht. Er mag Entnehmung. Entnehmung von Sinn aus der Schrift.

Ich hatte keine Lust dazu und musste aber entnehmen. Es ist ein kleiner Schritt von Schrift zu Schritt für die Schrift, für den Mann eine Welt der Schritt in die Schrift durch die Frau. Da musste ich lachen über soviel Einfachheit und Welt. Da lernte ich: nicht jede schwarze Stelle sehnt sich nach Licht. Nicht jede Seele nach Liebe.

Ohne Schuld keine Verzeihung. Ich sah aber nur Verzahnung. Verzeihung ist schön. Abgemacht, sag ich, Leben, her mit der Lektion. Ich fasste das Leben am Schlips, da sah ich den ganzen gespannten Mann, spannenlanger Hansel, spindeldürre Dirn, singen hilft nichts hier, oh Wilhelm Busch, die Not ist gross, der Reimzwang steigt vis à vis vom Herzeleid, hilft nicht, deckt nicht das Herz, da sah ich die säuerlichen Säfte, der harte Hals, die roten Ohren, die Schuppen auf den Schultern, die Knötchen und Krämpfe im Kiefer. All das runtergeschluckte faule Zeug sich nicht in etwas verwandeln, nein, tief im Fleische stecken stehen und bleiben, nicht Wunde, nicht Speer, mehr Pest und Beule eher. Unsere Verwandtschaft war Natur, wir waren ein Teich, wir faulten. Ich raffte mich trotzdem zusammen zu einem Erbarmen, ich fing aussen an: für die kalten Ohren. Ich schiss auf Ikonologie. Ich wünschte der stumpfen Bedeutung die Haut ab. Ich wollte nur die Nerven. Ich wünschte das, für was Nerven ein Wort ist, an mich heran und durch mich hindurchzuziehen.

Ich wünschte ihn um jeden Preis zu lieben, die ausgebesserten Zähne, die Spuckebläschen bei Ereiferung in den Winkeln des Mundes. Die Frühstückskrümel. Die Fleischreste. Das Nasenhaar und auf dem Handrücken. Das Besserwissen. Das Neidische. Das Krumme. Das Gelbe. Das Magengeschwür. Die enttäuschte Schwester. Den unbegabten Bruder. Die betrogenen Frauen. Den zerschmusten Teddy. Die undankbaren Kinder. Die harte Talentlosigkeit. Der heftige Mangel an Glück. An Humor. Das arme kleine Misepeterpotential. Der Ehrgeiz. Die riesengrosse Not. Den Hamster, auch wenn er Biber hätte, die Freunde aus Pisa und Berlin, kurz: die gesamte mickrige Kreatur, ich gehörte ihm, das ist meine Natur, er ist meine Figur. Und doch staunte ich wieder. Ich hätte nie mit soviel Gerechtigkeit gerechnet im Leben für mich, soviel Drastik, soviel Drama. Es war eine Enttäuschung in zweierlei Richtung und Zeit, die mich packte und griff. Ich sollte mit dem Kopf durch die Erde, mit Gras im Maul zum Licht.

Ich war bereit mich zu stellen. Ich nahm mir vor, dies zu geniessen. Es stimmt. Ich war schon einmal ein erstes Mal kriminell und zwar ebenfalls in Meppen. Meppen ist mein Tatort.

Ich dankte meinem Küster und blieb auf der Spur. Ich fühlte mich von Judas geküsst. Es war nicht leicht für Judas gewesen. Meine Eltern lernten sich in Meppen kennen. Dafür kann ich nichts. Oh dieser Satz. Sie fielen in Meppen, in Küppers Büschchen, in Meppen Werden übereinander her. Es passierte alles wie geschrieben. Etwas fehlte noch. Ich wollte Ordnung in die Zeugung bringen.

Ich blätterte in meinen gelben Reclams und fand unter «Chaos und Ordnung» den Namen, den mein Zeugungsbüschchen und mein Bäcker trug. Unter welchen Segeln reisen Bäcker und Privatdozent, Vater, Mutter, ich, fragte ich, auch im Namen von Bäcker Küpper und Günter Küppers aus Wien, der in seinem Vortrag: «Unordnung im Reich der Gesetze» vorschlägt, die Frage nach dem Gleichgewicht durch die nach der Prozessdynamik zu ersetzen. Aus Wissenschaft vom Sein würde Wissenschaft vom Werden. Abweichung von den Gesetzen seien keine «Dreckeffekte», sondern Ursache für Neuheit. Gesetzmässigkeit und Ordnung existierten nicht an sich, sondern im Kontext von für zweckmässig gehaltenen Beschreibungen. Ich dachte über für zweckmässig gehaltene Beschreibungen nach im Kontext von Namen und sah mich neuen Rätseln entgegen.

In Küppers Worten fand sich Trost und Erklärung. Warm. Transkutan. Das Abendland rückte mir näher wie der Topf der Scham. Der Ekel vor Fiktion schien mild und fast nicht ekelhaft auf mich nieder auf meinen Pelz. Ich sonnte mich. Der Zweck war mir neu. Ich beugte mich über den Kontext. Topfschlagen. Ich kann nichts dafür. Oh dieser Satz. Wie sehr muss wer in der Welt sein, um etwas dafür zu können? Ich musste sehr vom Weg abweichen, um diese Frage zu stellen.

Ich fragte weiter. Hatte ich nicht, als mein Vater zum Feierabend müde den Kopf über Tage streckte und die Mine verliess, in der er schuftete, um in der Stadt anständig leben zu dürfen und Inspektor zu werden, in Meppen Werden, um zu Pferden zu kommen, zu Islandponys, ganz anders als Wittgenstein im Traum, der, würde er zu Pferden kommen, sie Inspektor nennen würde, wollte mein Vater selbst an Pferdesstelle Inspektor sein, um seine Herkunftsfamilie in Meppen, der Ort, wo die Moorleichen liegen, um seine Leute mit ihm an der Spitze die Schubkarre voll Jauche durchs Dorf das Kinn stolz hoch in die Luft auf dem Transit aus dem Schlamm zu ziehen, der über die Karre auf die Vaterfüsse schwappt - Meppen ist kein Deckwort -, hatte ich nicht diesen hybriden Kohlekopf mit den apollinischen Matrosen-Unterwasseraugen im Krieg im U-Boot, mit dieser mörderischen Angst zu ertrinken, zu ersticken, diesen Polyp, hatte ich nicht dieses kantige Kinn, also den ganzen Mann spontan in mein Herz geschlossen, samt billiges rotes Deo Marke Old Spice? In mein zukünftiges Herz. Noch war ich Geist, als er schon fast mein Vater war - hatte ich nicht Papa gesagt? Nein, mir fehlte die Sprache.

Es fehlte die Frau. Ich wollte kommen. Ich wollte diesen Vater haben und dass er mich haben will. Präverbal? Ab wann bin ich da? In wem fühlte der Schmerz seinen Schmerz? Schmerz ist ein Deckwort. Lewis Caroll bläst seine Katze ohne Körper in den Raum. Nur den Kopf. Dann umgekehrt. Und hier?

Die Frau spielte in Meppen Werden auf dem Pustenberg Klavier. Onkel Wilfried blätterte um. Es durchfuhr sie, kaum war sie erkoren, ein unanständiges Zittern, das war ich, ein leibseelischer Tumult. Es muss noch Männer ausser Wilfried geben, war die Botschaft, überhaupt: Mann. Wilfried war es nicht. Ich sagte, ich sei Gabriel. Sie verstand.

Sie stellte die Assessorinnentasche auf den Asphalt, drehte sich um, wie im Hades. Ich freute mich, wie klassisch alles war, schon stand mein Vater da. Jetzt war sie dran. Sie fasste die eben noch kohleschwarzen, jetzt saubergeschmirgelten Hände meines Vaters in Küppers Büschchen und drückte sie gegen ihr erzkatholisches Herz. Der Religionskrieg entflammte und beherrscht uns fortan und bescherte als erstes mich.

In Küppers Büschchen fuhr ich in die Frau, die meine Mutter wurde, mit Hilfe meines Vaters. Sie hatte den Apfel noch nicht aufgegessen, den er ihr vom Nachbarn klaute. Sie war über das Klauen des Apfels für sie und aus Liebe, sie hatte nur diese Erklärung, so sehr gerührt, dass sie überwältigt weinte. Mein Vater war ihr Held, gebildet, wegen Hades und Julia, in was und wie sie sich fühlte, romantisch, poetisch, kurz komplett charmant. Doch das waren Gedanken. Ihr Instinkt sagt, Edith, dieser Mann ist stark und wild. Meine Mutter liebte Banditen. Zuerst den Vater, dann mich. Sie versuchte es. Sie liebte alles, was unbändig war und hackte es säuberlich klein. Sie war eine Spaltbegabung. Eine Zwergenmacherin.

Ich war ein riesiger Zwerg. Ich log, dass die Balken sich bogen. Ich war ein glitschiger Aal. Ich war eine glorreiche Schlangenzunge. Gletscherschlund. Ich war ein Berg in Pontresina auf dem Weg zu meiner eigenen Sphinx.

Kaum war ich selbst an Materie gebunden, liessen meine Möglichkeiten nach. Auch mein Vater schien nicht recht am Ort. Der Mangel war gross und mir klar, dass in einem Menschenleib sein keine Lösung war.

Bevor die ersten Liebesworte fielen, fiel ich auf meine linkische Art mitten zwischen sie, ich falscher Komet mit feurigem Quallenschweif, ein und verursachte Juckreiz, wo Genuss hin gehört und Unio, die ich mir unerhört vorstellte.

Obwohl die Religion Zankapfel Nr. 1 war und die Frage, ob Jesus Gottes Sohn ist, der Vater sagt: nein, die Mutter: ja, stritten sie prächtiger über mich, ob ich, wenn ich ein Mädchen bin, ins Gymnasium soll.

Ich hatte mit meinem Auf die Welt kommen Wollen Zwietracht ins Büschchen gesät und zum Auftakt ins Ehegemetzel geblasen.

Ich habe diese Schuld nie auf mich genommen. Im Gegenteil. Sie hätten mich beide brutal mit ihrem diffusen Trieb aus der Sphäre, zu sich ins Büschchen gezerrt, war meine Version. Doch wahr ist, ich hab mich absichtlich beissen lassen, bin ins Fleisch spaziert, um sie aus dem Schlamm zu ziehen. Hier verwischt sich die Spur. Etwas läuft schief. Aus dem Gesicht des Schlamms, das kannte ich, das war es nicht. Kaum war ich da, wusste ich nicht, was Schlamm heisst. Ich verkannte meine Mission. Ich drehte ihr den Rücken. Ich hörte nicht auf meine Leute. Ich erkannte sie nicht. Ich war für etwas vorgesehen, was mir entwich. Wicht, dachte ich. Ich bin in der falschen Familie, sagte mein Sohn, andere bekommen Mofas und fahren in Autos zu Omas, ich bin der Erstgeborene. Etwas läuft fürchterlich schief. Autos zu Omas? Nasse Erde? Wichte? Jauche? Zwerge? Scham, das heisst Schlamm. Der Schamgang. Die Canossasache. Das Pilgerknie. Ich roch das Kochlöffelholz meiner Kindheit und kam nicht unter den Topf. Ich dachte Gral und Parzival, an was die Welt als Lösung zur Verfügung hält.

Meine Eltern waren mit mir gezeichnet, Meppen Werden auch. Sie ist verdreht und immer haargenau verkehrt herum, die Kröte, sagen sie, wie im Spiegel, sehr ausgeklügelt, deine Bosheit, Kind, das denkt man sich nicht aus, wie du uns ausser Atem und in Schwindel hälst, was kein Kunststück war, es war unser Zustand. Du verrätst Meppen Werden. Verrat war wie üblich ein Deckwort. Botschaft auch. Schwindel nicht. Schwindel war es so sehr nicht, dass die Erregung beängstigend wahr war.

In Küppers Büschchen reissen sie die Büsche, Hecken, Sträucher raus und siedeln Schafe an. Sie pflanzen Johanniskraut gegen Kummer und Schwermut und sammeln es mit Alkohol in Flaschen. Sie salben damit die Haut, die rot davon wird und zart. Damit war die Gegend nicht besänftigt. Der Zorn sass tief. Ich hatte meinen Auftrag nicht angenommen. Ich war eine Verräterin und, wenn so was möglich ist, ganz unabhängig von mir. Meine Schuld wuchs riesenhoch, wie die Dornenhecke. Aus meinen Schultern hackten Raben spitze Löcher mitten in die Welt. Schwarzes Blut.

Bilder sind dumm. Die Welt war Meppen Werden. Ich hätte mich sehend mit verkniesterten Augen und Blindheit geschlagen. Ich sei keine christliche Wunde. Ich sei ein schlimmer Schaden. Sie kannten das Mittel nicht gegen mich. Doch ich war es nicht. Es war meine Funktion.

Erst als sie in der alten Abtei, rechts hinter dem Patz für die Kirmes und vor dem evangelischen Krankenhaus, das Institut für Existenzuntersuchung plazierten, für Logos, Entnehmung und Sinn, und unten an der Ruhr, neben dem Ruderverein, einen ökumenischen Streetworker als Käseverkäufer, da war Ruhe im Städtchen, genau bis zu dieser Stunde, als mein Küster sein Schlaglicht auf mich und wie er bös und fälschlich dachte sich und Meppen Werden warf, von einem rastlosen Dämon auf mich zu werfen gezwungen wurde und sich, und nun unter Pein und Qual in Pisa den Frevel absitzt und weint und zu niemands Nutzen nie wieder froh werden wird. Auf den Teppich mit dir, du Hybride, was hast du in Meppen zu suchen?

Was hab ich in Meppen zu suchen? Ein blinder Fleck ist was Schönes. Er ist aufregend. Ich fühl mich, wenn ich getroffen bin, unerforscht und genau deshalb mit solcher Wucht okkupiert, dass ich nicht mehr dagegen sein kann, als sei ich ausgeflogen und deshalb doppelt um so mehr da und ein Geist mein lieber Gast, der sich in mir breit macht, was ich geniesse, mich selbst, die ich mir mein eigenes grosses prächtiges Geheimnis bin und voller Wüste, Abenteuer, Unwegsamkeit, Stacheldraht und Brennessel, und nicht so wär, ohne blinden Fleck und ohne Schrift meines Anwalts.

Was hast du in Meppen zu suchen, fragt mich mein Kavalier aus alten Zeiten über den Fall und liebt von meinem Anwalt denselben Satz wie ich.

Da weiss ich, dass alles real ist, superreal, ein Wort, über das mein Kavalier lacht, über super, wenn ich es sage, es zeige meinen engen Innenkontakt zum pubertierenden Sohn, mein Binnenverhältnis. Ich habe einen Sohn und gestehe, ich habe etwas zu suchen in Meppen. Voilà. Es ist ein Prozess. Damals fand er nicht statt. Ich bin reif. Ich war sogar herrlich reif und froh es zu wissen. Da stehe ich, breitbeinig und fordere Entwicklung heraus.

Ich rekapitulierte. Es war kurz vor der Zeit an der blauen Wupper und der Bekanntschaft mit meinem Küster, oder kurz danach. Es war zu der Zeit, als ich das mit der Invasion in den Leib meiner Mutter in Küppers Büschchen dringend rückgängig machen wollte. Konvertieren.

Es war diese Zeit, als ich beim Bäcker Küpper Kuchen holte und mich mit dem Kuchen in den Taschen den Buschpfad hoch, mit vollem Mund durch den zukünftigen Tatort bugsierte, und als ich am Ende des Büschchens auf die Strasse stiess, nicht nach rechts sah, weil da gab es etwas in einem Familienrenault, an Wilfrieds Eltern vorbei, und einmal mit den Röhrchen in der Tasche und einer so spektakulären Heiterkeit und Leichtigkeit in mir, ein bombastisches Glück, obwohl ich nichts vor mir hatte als diesen Pustenbergaufstieg und oben die Röhrchen, ich fühlte mich so senkbleischwer und verwurzelt und verliebt in jedes Körnchen Asphalt, in jedes Sternchen Himmel, dass ich wünschte, die Sonne möge den Pfad verbrutzeln, schmelzen und mich und den Weg amalgamieren, wir würden gemeinsam Menschenfüsse tragen, die uns wie Bienenfüsse die Stengel betrappeln, die trügen den Kopf in den Himmel, der Himmel würde sich mit meinem Kopf vermählen und ewig würde Hochzeit und unsere Demut grenzenlos sein. Demut? Betrappeln? Milch?

Ich weiss noch, dass ich im euphorischen Schub der hässlichen Jutta den enormen Stinkestiefel verzieh, dem hässlichen Heribert das Zwicken in den Po, sogar mir, und das ist wirklich ein Geheimnis, der eigene verzeihungswürdige dicke gierige zwick- und schlaggeile Po. Ich küsste den Zaun, an den Baum kam ich nicht ran. Anstrengung wäre ganz fehl am Platz gewesen. Ich küsste und küsste und eine Süsse schoss mir in die Füsse, die hoben ab und flogen mich vorwärts, eine wundersame Hydraulik, ich war unsichtbar wie ein Floh und dachte an Rilke, an das Glück der Mücke, die nach innen hüpft, und hüpfte unendlich nach innen, und war ja selbst hier unübersehbar wie die Sonne und der Mond zusammen, alle Tiere des Busches, des Carollschen Holunderbusches und Buschs geheimes Lustrevier bei Ullstein, Affektbilder, Seelengeschichten, das deutsche Bürgertum, das 19. Jahrhundert, die Schafe und die Heckenflöhe - eine Hecke mit Hagebutten versuchte an den Landschaftszustand vor meiner Zeugung wieder anzuknüpfen, blühte, grüsste, grünte - oh und die Schafe liebten das Jucken im Fell, sehr ungewöhnlich, auch die Kühe die Fliegen, es waren auch kleine Fetzen Papier in den Bäumen neben den Büschen, auch Segantini, wo die Äpfel hingen, worauf Worte standen, der Überfluss und die Freude war so riesengross, dass ich die Botschaft auf den Blättern gar nicht lesen musste.

Ich war Tao. Ich war ausgefüllt mit mir und allem ausserhalb und kannte alles auswendig. Ich war der fantastischste Mensch im Ruhrgebiet. Transitionmeat. Ich war Übergangsfleisch. Ich war universal. Ich war partikulär. Ich war rabiat. Ich war der glückliche fette Pannekauken, der kleine Hävelmann, der über den Regenbogen kantipper kantapper die Steine, die Flüsse, die Wiesen, über all die Auen, Blumen und Tiere schwappte. Schwebte? Es war ein gegenseitiges Adaptieren. Meine Augäpfel taten mir nach. Sie rollten schneeweiss und nach innen, so schnell, dass es wie Ruhe aussah, und als sie nach innen sahen, platzten sie nicht wie die Blüten aussen, die Frösche und Magnolien, sie verpufften nicht wie die Pusteblumen, sie glibberten nicht wie die Eier, für jedes Tun und Nichttun hatten sie draussen täuschend echte Stellvertreter, die taten und nicht taten, und so waren sie derart hemmungslos bei sich, dass in einem Menschenkopf zwei solche Augen haben, die innen wie aussen rollen, zum Sterben ist, weil du ewig bist.

Ich duzte mich. Ich schien mir sehr nah. Platon war da. Ich nahm es, alles, was war, auf die Schulter, die brannte, wie der Hals und die Stirn und die Backen, und pustete sie an, in dieser Reihenfolge, gab den Raben Käse und den Löchern Milch.

Ich glühte so sehr, dass ich mich gleichzeitig nach Norden, Westen, Osten und Süden bewegte, nach oben, unten und in die chinesischen Richtungen auch. Ich war ein Holz, das verfackelte.

Ich wurde von einem Mann ins Meer geworfen. Ein Hund fischte mich raus. Es war seiner. Er trug mich in seinem Mund, auf der Zunge. Ich wurde vom Mann das Meer entlang in der rechten Hosentasche ganz nah an seinem Beinfleisch Schritt für Schritt durch den Sand transportiert. Ich nahm seinen Rhythmus auf. Auch das Böse und das Gute in seinem rechten Bein. Ich dachte über Ameisen nach und die Königin.

Ich war das fünfte Element. Ich bin das Holz. Der Mann mit mir in der Tasche war blond und hatte blaue Augen. Zuhause warf er mich in den Kamin. Es war in Usedom. Ich stellte mich gegen die Welle. Ich stoppte den Fluss. Ich bockte. Eine winzige Ewigkeit lang wehrte ich mich. Ich wollte nicht ins Feuer. Ich war fatal.

Das Feuer rächt sich. Schwefel. Giftiger Rauch. Stinkiges Brutzeln. Ich zündel. Das sei meine hässliche Seite, sagt ein Mann. Ich nenne ihn Huhn. Der Fluch fiel mit einer so zärtlichen Wucht von uns ab mitten im Schloss.

Etwas ging in die richtige Richtung. Ich verwechselte alles. Für mich war das normal. Es waren zu viele Richtungen für eine, die dabei nicht den Kopf verlieren will. Es war nicht möglich, den Kopf zu verlieren, weil die Augen rollten. Ich sah, dass es weiss war. Verstehen war hier keine Kategorie. Dies wird man gegen mich verwenden. Wo Ratten sind, sind Fallen. Ich lachte. Ich war bis zum Rand voll mit Ablenkungsplätzen. Ich mochte Ratten. Ich war eine wunderbare Burg. Ich war ein so spitzer Berg. Ich war ein Umschlagplatz. Ich ging den Buschpfad zurück zu Bäcker Küpper und holte mir, wie alle werdenden Mütter, saure Gurken und am Kiosk sauren Fritz, und leerte den Liter vor meinem japanischen Fernsehen auf dem Flokati im Klappbett von Onkel Klaus plus Knaddeldaddel, dem rheinischen Apfelwein, parallel zum Tatort mit Erik Ode aus, ich, meine eigene werdende Mutter, die sich zurückspulen will.

Hier gibt es Lücken. Lücken sind Breschen fürs Glück. Ich sagte Piste. Sie warten am Ausgang auf mich und zeigen ihren Ausweis. Ich seh die Stadt nicht. Ich seh die Terroristenfotos. Ich seh die Fotoautomaten. Ich darf ihre Namen nicht nennen. Ich steh mit einem Bein im Gericht. Wie alt bin ich? Sie kippen den Rucksack aus, weil die Preisschilder ab sind, lassen sie mir die Beute. Sie lachen dabei mit Respekt. Einer mit Goldzahn rechts hinten im Mund. Mit Pelzkappe? War das nicht in der Mongolei? Habe ich die Preise abgebissen?

Und die, fragen sie mit soviel Wogen Respekt, dass ich fast ertrinke, Pullover, sage ich, viele. Ich wolle Wolle kaufen um Häkel-Schmetterlinge auf die Pullover zu sticken. Mein Lieblingsmotiv. Ich sage, das sind, meine Herren, meine Seminare. Will ich mich zu erkennen geben oder Liebe?

Hatte ich einen Sticktrieb? War ich dem Häkeln verfallen? War ich besessen von Übersprungsreflexen? Don`t cry fly, sagte ich, das war gelogen. Fliehen war das richtige Wort. War es Lügen? Dass ich nicht genug gelogen hätte, deshalb in Meppen verurteilt werde, das hätte mein Vater nicht gedacht, der mich windig wie Zitteraal nennt, klapprig wie Pappel, kraus wie eine ganz verfluchte Verwuschlung, formlos, gestaltfern, ein Balg, das nicht mal lügen muss und nie zu fassen ist, bei der Bug das Wort für hinten ist, ein Trickschiff und keines, das ihn trägt. Ich brauche für den Braten ein Stück vom Bug, das war der Satz, sagt mein Duden, gemeint war die Schulter vom Pferd und Schwindel hinsichtlich dieser Transportsituation nur natürlich. Die Sache war ungefähr Transfer.

Don`t cry fly. Sie finden englisch ist ein Zeichen für meine Schülerhaftigkeit. Für meinen guten Willen. Kommunikation. Kooperation. Sie steigern sich. Sie sagen, ich sei überbereit. Ich sage, ich bereue sofort. Ich sagte das sehr überzeugend. Auch dass ich Schmetterlinge mag. Dass ich sehr auf Entwicklung und Verpuppung, auf natürliche Vorgänge versessen bin. Dass ich Schiffe mag, Fische und Flut. Dass ich für Natur bin, fürs Häkeln. Sie sind froh über mein Lebensinteresse. Ich nähte sie damals auf meine Wildlederjacke.

Und die? 20 Elfenbeinelefanten. Wie professionell bin ich? Stehen sie im Polizistengrün mit Kappen und Armquasten rechts und links hinter mir, fassen meine Schultern, die Raben, und sagen: mein Fräulein, und endlich materialisiert sich was, Polizisten, in meiner Hand Rotwein und Gouda, in Plastik verschweisst.

Ich verdrehe die Augen, lehne mich an beide Polizisten, die Beihilfe zum Waffentransport mit dem Terroristen im roten Bulli über die Hohentengener Brücke lass ich weg, auch dass er ein rotes Samtjäckchen trug, ich ein Gipsknie, dass er mich göttlich leckte und den Windbeutel anschliessend nachts aus dem Kühlschrank stahl, ein herrlicher Sahnewindbeutel, heimlich, obwohl er sehr dünn war, was mich erschreckte, und mir Scherenschnitte schickte und ich ihn für tot halten musste, in seinem Frankfurt, mit seiner Hochhausadresse, seinem Pilotenvater, wir sind uns gegenseitig in den Schoss gefallen, sagte er, als ich ausstieg, geglitten, er meinte aus dem Himmel wie Sterne, es stimmte, Desaster, Sternenordnung, mit den Füssen im Himmel, Quantenteilchen, Theorie, wie haben uns auf der Strasse weggewusst, Birgit, bleib im Bild, er hat mich am Wegrand aufgepickt, wie ein Veilchen, - die blauen, die grünen Polizisten, meine Locken flogen, meine Ohren surrten, mein Mund schmollte, meine Augen sangen den Kullersong, als hätte ich mein Leben lila Kirschlutscher gelutscht und Veilchenpastillen in Kirchen. Valium, hauchte ich den Polizisten ins Protokoll.

Oder wird die Mutter in Mainz Waisenau angerufen, Am Fort Elisabeth 7, haben Sie die Tochter in Meppen Werden, Pustenberg 12? Oh Zahlen, oh heilige Manie. Schall ihr Namen. Rauch den Göttern. Im aparten Kostüm steht sie vor der Haustür, mit demselben Jäckchen, mit dem sie heiratet, und ich darunter bin viel zu früh und viel zu ungebeten viel zu heftig weggewünscht dabei, unten in den Katakomben neben den toten Knochen des heiligen Ludgerus in seinem Schmucksteinschrein mit Kerzen und Schmiedeeisen davor einmal im Jahr durch die Strassen auf den Schultern der Ministranten und Weihrauch, vom selben Schmied wie später unsere Schmucktür gegen die Mörder, und in diesem Jäckchen in Meppen ich vor Gericht, später, in diesem Fall, ob ich in Meppen und was ich da zu suchen hab und ob. Kam ich nicht in die Akten? Hat sie ausgepackt, wie schikaniert und vaterruiniert ich sei? Wie sehr ich mich bessern liesse? Dass dies ein Hilfsschrei ist?

Hab ich mein Entwaffnungslächeln dabei? Hab ich meine Holländerglotschen an? Den blauen Parka? Das graue Arbeiterhemd meines Vaters mit den gestickten Blumen auf den Taschen? Den Enten auf den Knien? Ruckediekuh, Asche im Schuh?

Was für Schöffen? Das Gerichtsholz von beeindruckenden Bäumen, wie auf der Titanic, Kirschholz? Mahagoni? Wie im Film. Sehr dramatisch. Brechtisch. Dialektisch. Kein Geist. Kein Kleid. Kein Kleist. Nur Wille und Erscheinung. Hacken und Heckenscheren. Es ist sehr interessant, ein Gericht. Die leibhaftige Ordnung. Sie stutzen die Raben. Sie verderben die Milch. Sie sind gegen Blumen und Bäume. Das ist normal. Die Bänke sind wie in Meppen Werden in der Ludgerus Kirche. Der Türgriff ging zum Kinn, oder war das die Scheidung? Meine? Schwert? Links stand die Mutter, rechts stach die Nadel in die Vene, du wirst in die Betäubung gespritzt. Meppen sagt dir, Mädchen, es gibt Akten, nicht nur auf den Bäumen. Schau dem Verbot ins Gesicht. Ruf das Krankenhaus an. Studiere die verletzten Gebiete. Ist dein Kläger deines Vaters Arm? Was hatte ich dabei an? Oma Werdens Geburtstagsgeschenk. Immer Nachthemd und Obst, damit lieg ich im Bett. Als ich das erste Mal Deckwort Deckwort Deckwort im Bett lag, wars das Tabu. Tabula rasa, im Namen des Volkes, es darf nicht zu lesen sein. Mein Kläger greift schwer in mich ein.

Als ich das letzte Mal im Bett war, lag darin Darwin. Ist Darwin mein Schatz? Darwin wartet auf den Satz. Der Vater hat in mich die U-bootangst gesenkt, das Ersticken im Krieg unter Wasser, sag ich, meinst du so was wie das? Darwin schnippt mit den Fingern. Ich nenn ihn jetzt Schnatz. Da steht der Wunsch, lieber Schatz, sagt mein Schnatz, etwas soll, tout à coup, verschwinden sofort, an diesem Platz, viel stärker da und am Ort, auf mein Wort, als der Wunsch des Verwünschten zu sein.




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