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Tim Krohn

Die Bienenkönigin: 2. Szene




(Königliches Schlafzimmer; Königin Genoveva, König Arkel, später Prinz Pelleas. Geräusche eines Fernsehers.)

Genoveva
Arkel? Arkel, ich mache mir etwas Sorgen. Hörst du?

Arkel
Hm?

Genoveva
Ich sage, ich mache mir Sorgen.

Arkel
Ich weiss, mein Herzchen.

Genoveva
Ich habe dir doch noch gar nicht gesagt, weshalb.

Arkel
Dann erzähl mal, Herzchen.

Genoveva
Es ist wegen Golo.

Arkel
Wegen was?

Genoveva
Wegen unserem Sohn Golo.

Arkel
Golo? Schon wieder wegen Golo?

Genoveva
Seit er sein Melisandchen nach Hause gebracht hat, ist hier nichts mehr wie früher.

Arkel
Mir ist nichts aufgefallen.

Genoveva
Du bist auch seit zwei Wochen nicht mehr aufgestanden.

Arkel (missmutig)
Mm...

Genoveva
Ich sage dir, Arkelchen, seit einiger Zeit gehen hier im Schloss die merkwürdigsten Menschen ein und aus. Ein Herr Marx ist hier, dessen Berufung ich nicht weiss, aber er ist gekleidet wie ein Grabdiener, dann eine Madame Badinter, die sich die oberste der Sabinerinnen nennt und vor der wir alle knicksen müssen ...

Arkel
Knicksen?

Genoveva
Ja, knicksen. Und überhaupt Regierungshäupter ... Ach, könntest du das nicht eben ausschalten? Das macht mich ganz kirre.

(Der Fernseher wird ausgeschaltet.)

Genoveva
Wo war ich?

Arkel
Beim Knicksen.

Genoveva
Ja, genau, es wimmelt von Regierungshäuptern und Gelehrten aus der ganzen Welt, und sie alle tun nichts anderes, als sich mit jedem, der ihnen über den Weg läuft, über Bienen und andere staatenbildende Insekten zu unterhalten und die schwierigsten Theorien auszutauschen. Melisande hält ihnen, glaube ich, richtige Vorträge, jedenfalls verehren alle sie aufs Innigste, sie scheint ihnen so etwas wie eine Lehrerin zu sein. Was sagst du dazu, Arkel?

Arkel
Was soll ich dazu sagen? Melisande ist ja auch ein süsses Ding.

Genoveva
Wegen Golo meine ich.

Arkel
Golo ist ein grosser Junge, Herzchen, ich finde, wir dürfen ihm ruhig seinen Spass lassen.

Genoveva
Ich sorge mich nur, weil er stets so besonnen und klug war, so ernst und entschlossen ... Seit Yolandes Tod tat er alles für die Bienen und seinen kleinen Yniold. Nun vergisst er so einfach ... Du, ich habe ihm vorhin sein Tagebuch gemopst.

Arkel
Sein was?

Genoveva
Sein Tagebuch.

Arkel (vorwurfsvoll)
Herzchen!

Genoveva
Und weisst du, was er schreibt? «Im Vertrauen, liebes Tagebuch ... im Vertrauen, liebes Tagebuch, Melisande erledigt auch schon das meiste meiner geschäftlichen Angelegenheiten, vor allem, was Arkel & Söhne betrifft.»

Arkel
Was wen betrifft?

Genoveva
Arkel & Söhne, Alterchen, unsere Rüstungsfirma.

Pelleas (tritt aufgeregt ein)
Vater?

Genoveva
Guten Morgen, Pelleas.

Pelleas
Guten Morgen, Mutter. - Hör zu, Vater, eben hat mich die Nachricht erreicht, dass die Arkel & Söhne AG massive Einbussen im Waffenverkauf verzeichnet. Der Verwaltungsrat befürchtet den Bankrott. Vielleicht könnten wir mit drastischen Massnahmen, vor allem wohl mit Entlassungen und massiven Kapitalaufstockungen, noch etwas retten, aber ich müsste sofort mit den nötigen Vollmachten zum Hauptsitz fahren.

aus: Bienen, Königinnen, Schwäne in Stücken


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