Thomas Schestag

Als ob nicht alle Worte Taschen wären



einhalten. Beinhalten, um das gekappte Wort zu wiederholen, Wörter, was sie bedeuten, oder halten sie das Bedeutete ein und zurück: enthalten sie, was sie enthalten, vor? Halten Worte dafür, oder dagegen, daß, ob sie überhaupt - bald dies, bald jenes, bald mehreres auf einmal - enthalten? Enthalten Worte sich, enthalten sie sich vor? Hielten Worte sich - sich reflexiv genommen, als Verweiswort auf gegebene, vorausgesetzte Entitäten zurück - zurück, dann wäre, allen Worten zuvor, und in jedem abkünftigen Wort zum Inbegriff desselben gefaßt enthalten, das Wort Wort, das Wort selbst, an und für sich, gegeben und zum Seienden vorausgesetzt. Dann wäre die Zurückhaltung offenbar, und die scheuen gäben unumwunden zu verstehn, daß sie, auch wo sie sie, auch wo sie sich zurückhalten, Inhalte zu verstehen geben. Im Augenblick der Fassung des Wortes - Wort - zum Wort bleibt aber sich, ein Wort, das die Fuge zwischen Wort und Wort, das Wort zum Wort vernähen, und die Naht, die Narbe überspielen soll, aus. Wort klafft - im Augenblick, da Wort als Wort nah, zum Wort vernäht steht - auf. Auseinander. In diesem Augenblick, ohne daß der -blick zum Ein- und Inblick gerönne, schlägt das Beinhaltende zum Beinhalteten, die Form zum Inhalt um. In ihm schlägt, fassungslos, der Inhalt die Form aus: zerschellen beide. Dieser Umschlag, sein Ursprung, enthält das Wort (sich) vor. Je uneindeutbarer das Wort zum - bedeutenden - Wort, desto undurchsichtiger bleibt das Wort sich: desto undurchsichtiger das Wort auf das durchs Wort bedeutete Wort.
Wort hält nicht Wort. Enthält nicht sich. Worte halten nicht, enthalten nicht Wort. In beiden: im verschliffenen blinden per se des Bedeutens, das sich von selbst versteht, wie im skrupulösen, zu sehn suchenden Eräugen, das Wort selbst, sich im Wort wiederzufinden; in beiden fällt das Bedeuten des Bedeutens, die Bedeutung der Bedeutung, fallen Bedeuten und Bedeutung aus. Mit ihnen aber der Status des Bedeutens und seine Ausbildung zu einem System der Semantik, zum Regel- oder Kunstwerk semantischer Fassung der Sprache im Zeichen des Worts. Se, der Einsatz dieses Wortes, mantik, wie nachträglich dem Wort einer andern Sprache angepaßt, präzisiert Semantik, die nach Regeln systematisch ausgebildete Lehre vom Bedeuten, der Tmesis ausgesetzt, zur Mantik. Das Bedeuten zum Deuten. Im System die Tmesis zu entziffern.
Die Suche nach der Sache, dem Inhalt des Wortes - Inhalt - findet einen Halt, der entsetzt. -halt-, Inbegriff der Semantik in (aber das ursprüngliche Zerscherben des Inhalts zum fassungslosen setzt auch die Bestimmung von Innen und Außen der ein oder andern universalen oder partikularen Sprache aus) der deutschen Sprache, nämlich An- und Aufenthalt zu bieten, changiert zum -halt-: zum Vorbehalt und Rück- und Hinterhalt, der darin liegt, daß er nicht dies oder jenes oder mehreres Hintangehaltne vorenthält, sondern hinhaltender, rückhaltlos, auseinandergeht.
Worte halten nicht Wort. Worte halten hin. Nicht der Inhalt, der Hinhalt zeichnet das Wort aus. Das Wort - auf der Schwelle zum Wort - auseinander. Das vor-, und im Weg -liegende, das wegelagernde Wort hält nicht, was es verspricht, Form zu sein und Inhalt zu haben. Im Augenblick der Stiftung distinkter Verbindlichkeit zwischen Innen und Außen, Inhalt und Form, Wort und Ding, Aus- und Einschluß, Anfang und Ende, des Wortes wie der Wortsprache, und Welt, stiftet es Verwirrung. Hält, auf der Schwelle zum Wort, wortloser, hin. Was ist davon zu halten? Und wäre die Antwort, so schnell gesprochen: Nichts? Wie dann mit der übrigen Frage, unter Fragen, was diese Antwort, dies Wort enthalte, verfahren? Wie mit nichts?
Gehn Worte leer aus? Liegt darin, daß sie im Grunde nichts enthalten, das letzte - leere - Wort über Worte überhaupt? Legt, aus diesem Grund, die behauptete Leere der Worte, bloßer Hüllen, nicht die Fülle ihrer anfänglichen Bestimmung nah? Erst im entleerten Wort die Erfüllung seiner eigentlichen Bedeutung zu haben: nichts zu enthalten: nämlich alles, alles mögliche, enthalten zu können? Sind Worte Taschen? Öffnen und schließen, in eins, diese Taschen die Epoche der Semantik? «Als ob nicht alle Worte Taschen wären», notiert Nietzsche auf der Schwelle zum Aphorismus 33 der Sammlung Der Wanderer und sein Schatten, 1880. In eigentümlicher Umgebung:

Elemente der Rache. - Das Wort «Rache» ist so schnell gesprochen: fast scheint es, als ob es gar nicht mehr enthalten könne, als Eine Begriffs- und Empfindungswurzel. Und so bemüht man sich immer noch, dieselbe zu finden: wie unsere Nationalökonomen noch nicht müde geworden sind, im Worte «Werth» eine solche Einheit zu wittern und nach dem ursprünglichen Wurzel-Begriff des Werthes zu suchen. Als ob nicht alle Worte Taschen wären, in welche bald Diess, bald Jenes, bald Mehreres auf einmal gesteckt worden ist! So ist auch «Rache» bald Diess, bald Jenes, bald etwas Mehr Zusammengesetztes.

Als ob nicht alle Worte Taschen wären, in welche bald dies, bald jenes, bald mehreres auf einmal gesteckt worden ist! ... nicht alle ... Was enthält dieser Satz nicht alles... Nicht alles vor? Als ob dieser Satz nicht alles enthielte! Was enthält ein Satz, der enthält, daß er, wie jeder andre Satz, im Grunde nichts enthält, weil alle Wörter, die Worte dieses Satzes eingeschlossen, leere Taschen sind? Ist das, Wort für Wort, Blatt für Blatt, verdeckt aufgelegt, der Satz eines Taschenspielers? Versteckt, oder steckt, der Satz die Wahrheit über das Wort? Der Satz beim Wort, daß alle Wörter Taschen sind, genommen, ist Grundsatz der Semantik, sagt ihr Gesetz und ihre Grundtatsache aus: jedes Wort ist eine Tasche. Die Lehre vom Bedeuten liegt in der Leere eines jeden Worts, zur Tasche ausgelegt. Daß alle Wörter Taschen sind, ist, fast scheint es so, das erste und letzte Wort der Semantik über sich selbst. Und mehr als das. Liegt in diesem Taschensatz nicht die Rache der Semantik an allen jemals vorgebrachten Einwänden, an angemeldeten Zweifeln und Selbstzweifeln an der bloßen Möglichkeit einer Semantik als Kunstlehre oder Schematismus? Dergestalt nämlich, daß sie den Einwand unmöglicher Bestimmung und Distinktion des ein oder andern Inhalts, eigentlicher von uneigentlicher Bedeutung, nicht entkräftet, sondern zum Entsetzen der Zweifler affirmiert, und die Bestimmung und Allmacht der Semantik gerade darein legt, daß jedes Wort bald dies, bald jenes, bald mehreres auf einmal enthalten kann. In die Enge des ausgesprochenen Verdachts gedrängt - Sind nicht alle Wörter Taschen? -, der ihren Untergang besiegeln muß, spielt Semantik ihren letzten Trumpf aus. Kaum hörbar, zwischen den Zähnen, mehr eingesogen als ausgesagt, jedes Wort abgesetzt, tonlos betont, deren jedes den hochfahrend Fragenden fahler werden läßt: Als ob nicht alle Wörter Taschen wären. Und kehrt, so scheint es fast, den Augenblick ihres Unterganges in Triumph. Der Satz steckt, so genommen, jeden Vorwurf, der gegen die Semantik je erhoben ward, je erhoben werden könnte, in die Tasche. Nicht allein wahrt Semantik in ihm Form, sondern in die Form des Wortes, zur Tasche bedeutet, setzt sie die Wahrheit über das Wort schlechthin. Die Affirmation des Nihil, ihrer Inhaltslosigkeit, erhebt Semantik zur totalen. Trägt dieser Aphorismus hinter vorgehaltner Hand, im Schatten der Erörterung des Wortes «Rache», den Grundsatz der Semantik vor, in ihm aber deren Rache? Zum Grundsatz der Semantik ausgelegt, schlägt dieser Satz, die Tasche aller Taschen, alle vorausgehenden und nachfolgenden Sätze, nicht nur dieses Aphorismus, sondern alle Wörter aller Sprachen, seien die vergangen, gegenwärtig oder zukünftig, ohne Rest in sich ein. Der Satz faßt alle Wort- und Zeichensprachen, Sprache überhaupt, zur Taschensprache, die Welt zum Taschenkosmos. Die Tasche dieses Satzes ist ein Rachen: gefräßig und unersättlich, fassungshungrig, aber fassungslos.
Reißt aber nicht, in der Tat, der Satz das Maul auf, nimmt er den Mund nicht eine Spur zu voll, wenn er einsetzt mit dem Wort: Als ob...? Trägt dieser Ansatz in die Vollmundigkeit des Anspruchs, daß alle Wörter Taschen sind, nicht den Zweifel, den er zerstreuen soll, ein? Als ob, tatsächlich, alle Wörter Taschen wären! Wem kämen da nicht Zweifel. Als ob setzt, irritierender, beide, den kommenden wie den gehenden, den angemeldeten wie den zerstreuten Zweifel, am Wort wie an Taschen, setzt das Wort, setzt Wort, einer eigentümlichen Streuung aus. Den Schein apophantischer Fassung dieses Satzes zum Satz, zum Tatsachen- und Taschensatz, aus semantisch-syntaktischen Gründen, die Haltlosigkeit verbindlicher Fassung der Semantik zur Semantik überhaupt in ihm, teilt der Blick genau in dem Augenblick, der seinen Inhalt, daß alle Wörter Taschen sind, verkehrt: als bliebe Taschen nicht ein Wort... . Das Definiens, hier Taschen, wandert ins Definiendum, ins Wort, wandert in Wort, in jedes Wort ein. Aber nicht so, daß Taschen von der Definition zum Wort aufgefangen, zum Wort gefaßt steht, sondern rissiger so, daß dort, wo Wort - fassungslos - aufbricht, uneinsammelbar zum Wort, der Lettern- und Lautstand eines jeden Worts - auch Taschen - zum Schattenriß auseinanderwandert: auseinandert. Es ist dies der Augenblick, vom Augenblick der definitio unscheidbar, unvereinbar mit demselben, der definitio des Worts. In dem der Schematismus von Endlich- und Unendlichsprechung der Sprache, entendlichter, entunendlicht, verwittert. Dieser Augenblick: des Zerbrechens der Deixis, im Blick. In diesem Augenblick teilt die Fassungslosigkeit des Worts zum Wort den Blick: treten die Augen, tritt das Wort Augen auseinander. Die unsichtbare Naht, die unter der Hand, im Blick, über das Auseinander im Zusammenstand der Lettern zu Wörtern, über das Auseinander noch im Aufriß der Letter zur Letter täuscht, jedes Wort zur Tasche definiert, vernäht, reißt auf. Was, ob überhaupt etwas bleibt, wo Wort -; ob Wort an seinem Ort - sei der da oder fort - verzeichnet, ob Ort in Wort bloßliegt, oder umgekehrt das Unkalkül der Nähe zueinander, von Logos und Topos bloßlegt, den Ruin des Willens zur Logik und Topik, und noch zur Utopie, zum Un- und Außerwort verzeichnet -; ob Wo in Wort ein-, Wort auseinanderführt, ob rt den Rest des Wortes Wort, die Enden des Wortes rot oder Rest, oder Trester vor- oder verstellt, enthält oder vorenthält -; was bleibt, wo W, Überbleibsel oder Initial, bleibt, vom Inhalt des Bleibens zu schweigen -; bleibt offen. Im Augenblick dieses undatierbaren, Ort und Wort so nahen als fernen Umschlags von Taschen zum Wort, franst der Taschenstatus des Wortes, franst Wort und jedes Wort aus, geht der Grundsatz der Semiotik aus den Fugen. Was als universale Achse universaler Semantik im Satz gebunden vorzuliegen schien, Taschen, fliegt im Blick zu Schatten, Aschenresten auf. Legt die Risse im Aphorismus vor Augen.
Die unterminierten Termini, das Wort in seinen Enden, der Riß durch seine Definition, und Ruin terminologischer Fassung der Wortsprache, von Wort und Sprache überhaupt, der Zerfall des Glaubens an den Bau, Ab- oder Aufbau, beider aus vorgegebenen geprägten Elementen, und noch das Zerfallen des Zerfalls, der Religion vom unspaltbaren semantischen Kern des Wortes, Zerfall, stellt jedes Wort - das ist der undurchsichtige Befund des Augenblicks, der im Einsatz der Semantik, daß alle Wörter Taschen sind, Taschen zum Wort entziffert - zur Disposition: in ein flackerndes, von Wanderschatten durchlaufenes Licht, keiner Quelle. In ihm erlischt der Schein der Fassung des Worts zum Phänomen. Fast scheint es, als trage der Aphorismus Elemente der Rache, von Anfang an, in jedem seiner Elemente, genau diesem Befund ironisch Rechnung. Allen voran das Wort Rache, in jedem seiner Elemente. Das Wort Rache ist so schnell gesprochen. Der Satz unterstreicht das Wort, die gesprochene Rache. In ihr, in Rache aber bricht, so schnell gesprochen, als werde ein Silbenrest verschliffen, die Spur eines Worts, das Rache fast verschluckt, bricht Sprache, das Wort Sprache an: Elemente der Sprache. Nicht, als läge damit der restaurierte Titel vor Augen, der die Rache auf ihre elementare Sprachlichkeit überholt, und ihren linguistischen Status offenbart. Sondern weder Rache noch Sprache finden in diesem Augenblick substantiellen oder provisorisch Halt, An- und Inhalt, weder in sich selbst, noch aneinander. SpRache findet weder in ein dialogisches noch dialektisches Verhältnis, weder zum Wort-, noch zum Sachverhalt, sondern Wort- und Sach- : verhallt. SpRache: als hielte in Schrift der Sekundenbruchteil eines Sporen-, Aschenfluges Hof, den der Blick zur Seite in irisierendes Schneiden, Schneegestöber löst, das den Augenblick teilt. Noch dort, wo das Wort materialiter - im Bann der Auslegung zum Baum -, der Wortstamm, Wortstammbaum gefällt, in Scheiter zerschlagen, verbrannt lag, wovon nurmehr Aschen zeugen, aber niemand und nichts zeugt für den Zeugen, nichts außer Wurzeln, Wortwurzeln zugrunde, unter Grund greifen soll, die der erste Satz beschwört, wenn er dem Wort, wo es gar nichts mehr - fast scheint es so - enthält, eine - knapp unter der Oberfläche der Rede verlaufende - «Begriffs- und Empfindungswurzel» zuspricht; noch dort, wo Radix und Matrix des Wortes, der Wort- und Muttersprache, ästhetische und logische, etymologische Triebe ineinanderflechten, die Regeneration des Wortes in seinen Wald zu versprechen, im Augenblick beschworner Renaissance des Wortes; noch dort bricht, vom undichten Befund, zum Fund und Fundus unverwahrbar, des Taschensatzes her, die -wurzel zum Wort-.
So finden auch die Lettern des Wortes Taschen, im Schatten des Titels der Aphorismensammlung, Der Wanderer und sein Schatten, kaum kollektiven Halt aneinander, einen begrifflichen gewebten Leib stellzuvertreten oder anzuziehen, kein Kollegium und kein Gesetz des Lesens, das sie zum Wort versammelte, ohne die Versammlung, im Augenblick der Sammlung, aufzustören, zu veruntreun, zu streun. Zu Streu. Taschen verzeichnet, in Schattenhaft, anagrammatisch - weder zur Mehr- noch zur Einzahl feststellbar - Schatten. SchattenTaschen: unsetzbar und unvertretbar, unaustauschbar durcheinander. Im fahlen, fadenscheinigen Licht changierender Schatten, Taschen, sickernd durch Schleier feinen Ascheregens, bricht auch, zum Schlehmil isoliert, der Wanderer, das Emblem des Aufbrechenden, anders auf. Das Andern und Ändern durchläuft den Gehenden, das für den Gehenden stehende Wort, trennt den Schein der Fassung zum ein oder andern Wort, Wanderwort auf. Wanderer, Anderer, Andere, und andere anders, gehn - anders als anders -, von keiner Wand, keinem Rand, keiner Ader im oder am Wort, keiner Rede gehalten, im Augenblick, der Wanderer trifft, auseinander. Im Wanderer geht nicht die Allegorie des Wortwechsels, das andernde Wort im Zeichen wechselnder Inhalte um, in ihm kommt nicht Allegorie - die leer ausgeht - im Zeichen ihrer Emblematisierung zur Tasche als Strukturprinzip der Semantik zum Tragen. Der Augenblick des Umschlags bedeuteter Taschen zu Taschen entleert den Wanderer nicht zur Allegorie der Allegorie, die das Nichtsein dessen, was sie vorstellt, bedeutet. Das aufbrechende Wort, Wanderer, versagt, im Augenblick des Aufbruchs, das andernde, nämlich dies oder jenes oder mehreres auf einmal bedeutende Sagen, all'agoreuein. Im zerbrechenden Wort geht nicht die Allegorie leer aus, sondern - schreckender, schreckendender - die leere, geht Leere, zum Wort unumreißbar, auseinander, Allegorie aus den Fugen. Wanderer: zierliche Stab-, Wanderheuschrecke. Aschenes Wort.
Eingelassen in die Mitte zwischen die Erörterung der Rache und den Taschensatz, verwittert auch das Wittern der Nationalökonomen nach einer Wurzel im «Worte 'Werth'». Nicht zuletzt aus der Nähe zueinander von Wort und Wert, in der, fast scheint es so, Wert - genauer e - das verwitternde o in Wort - vor-, ver- - -stellt. In den Nationalökonomen, von den Internationalökonomen nur dem Grad nach geschieden, tritt der Wille zur Semantik als Wille zur Semantik im engeren, hier nationalen (oder internationalen) Sinn, in seiner desaströsen, bio- und sozio-politischen, polit-ökonomischen Ausrichtung auf den Plan. Die Nationalökonomen suchen, in Weg- und Ausweglosigkeit verstrickt, Wort und Wert so ineins zu blenden, daß das Wort, Wortsprache überhaupt, im Zeichen des absolut gesetzten Werts, des absolut gesetzten Wortes «Wert», zur Münze geprägt, wie abgegriffen immer, umläuft, bald dies, bald jenes, bald mehreres auf einmal Enthaltene, Inhalte preiszugeben, nach deren Wert gemustert und gerichtet, der Wertschätzung erhalten, der Wertlosigkeit geziehen, oder zum Unwert abgewertet, ausgefällt, vernichtet zu werden. Die Logik der Extermination, der die nationalökonomische Semantik gehorcht, nötigt, darin liegt ihr Zwangscharakter, zu gleich aber die Haltlosigkeit des Willens zum Wert - im Zeichen der Wette -, den Wert - absolut gesetzt -, von dessen Absolutsetzung (auf die sie sprechend zuhält) ihr Sprechen dependiert, der keiner Wertung zugänglich, wertlos, den Wert allen Wertens, jeglichen Wortinhalt, zum Wortwert verengt, schätzen, Werturteile fällen soll -: den Terminus «Wert» zum Exterminus auszufällen, dem grund- und bodenlos aussetzenden - ihrem Einsatz - aber den Schein des Fundamentes - inconcussum - zuzusprechen. Sie ist genötigt (das ist der double bind der Logik), dem Wertprinzip den Wert- und Wortcharakter - wie verschwiegen immer - abzusprechen. Logik der Absprache... . Was sie abspricht, dem Wert den Charakter des Worts, unterstreicht, indem sie - spricht, den Wortcharakter des Werts. Wort aber - zum Wort uneindeutbar - bricht. Dementgegen suchen die Nationalökonomen, vor den Wert-ohne-Wert zurück, das generative Prinzip des Werts, des Wortes «Wert», seine Wurzel aufzuspüren, in der Behauptung seiner Natürlichkeit dem Wert sozusagen vegetativen und Triebcharakter zugesprochen zu haben, ihn nicht aus Rede, sondern aus andern - der Begründbarkeit «natürlicherweise» entzogenen - Gründen, aus Erde zu ziehen: zu züchten. Die Aporie dieser witternden Suche liegt in der offensichtlichen Unvereinbarkeit und untergründigen Komplizität beider Tendenzen: die Nationalökonomen suchen das geprägte, unwandelbare Wort, die Nationalökonomen das keimende, wandelbare Wort. Bei aller Wandelbarkeit aber, darin liegt beider Komplizität, soll das nationale, generative Wort, dem Willen zum Prägstock entgegen, in sein Gepräge auf- und auseinanderwachsen, es restlos zu erfüllen. Gleich, ob im Zeichen der Nation oder der Internationalen: beide Ideologien, die vom generativen Wort, die der biopolitischen Semantik, der Auslegung des Worts zur Wortrasse, der Sprache zum Wortrassenvolk vorzeichnet; wie die Ideologie der Wortstruktur, die der soziopolitischen Semantik, der Auslegung des Worts zur Wortklasse, der Sprache zur Wortklassengesellschaft vorzeichnet; beide Ideologien des Willens zur Semantik, in deren Schatten und Schlagschatten das sogenannte 20. Jahrhundert fiel (aber die Rede vom Jahrhundert, ohne weiteres, gehorcht strukturellen und generativen Versatzstücken beider, vagiert im Schatten beider Ideologien), beide verzeichnen, wider Willen, den Ruin - im Ursprung - der Semantik, der im Umbruch des Taschensatzes anbricht: die Uneindeutbarkeit des Worts zum Wort.
Zuunterst aber, in der bedeuteten Leere der zu Taschen ausgelegten Wörter, jeglicher Couleur, changiert das bedeutete Nihil, das allen Wörtern aller Sprachen unentwendbar eignen, und die Eigentlichkeit ihrer Bestimmung, den Nihilismus der Semantik zur Sprache bringen soll; genau dort changiert das Nichts des Inhalts zur Signatur der Zeilen, die es postulieren: zu Nietzsche. In Nietzsche taucht, wie schattenhaft immer, der mögliche Grund für die Formulierung des Taschensatzes aus andern Gründen auf, denn der deklarierte Nihilismus der Semantik schreibt sozusagen ins Futter eines jeden Wortes, zur leeren Tasche ausgelegt, die nichts enthält, Nietzsche ein. Gleich, ob es bald dies, bald jenes, bald mehreres auf einmal enthält, immer erhält das leere Wort, gerade weil es nichts enthält, die Imprägnatur Nietzsche. So daß, fast scheint es so, aus allen Wörtern als aus leeren Gräbern - semata -, aus allen Wörtern aller Sprachen, seien die «tot» oder «lebendig», im Augenblick des deklarierten Nihilismus der Semantik, als aus erbrochnen Taschensarkophagen der verklärte Leib, Wortleib Nietzsche aufsteigt. Der Schein totaler Kapitalisierung, unabsehbarer Aufstockung und Stapelung, aufgrund ihrer verhohlenen Fassung zum Inbegriff jeglichen Worts, einer siegenden Natur, gefaßt zur Signatur - Nietzsche -, geht aber aus der Nähe zueinander, unter andern, von Nietzsche, Nichts und T.schen verloren. Nietzsche gerinnt weder zum Paradigma und Präfix, noch zum Infix oder Kruzifix der Serie, noch auch - auratischer - zum corps glorieux, auf dessen Auferstehung die Serie - eschatologisch - ausgerichtet wäre, sondern die Serialisierung der Signatur, ihr Splittern, trennt den Schein der in sie verzeichneten Natur, des durch sie vertretenen oder in sie vernähten Wortleibs auf. Dennoch bleibt, von der entzifferbaren Signatur zum Grund des Taschensatzes her, offen, ob nicht im Namen, zum Wort (weil der Name Wort- und Dingsphäre ineinanderwendet) uneindeutbar, die Erfahrung der Uneindeutbarkeit eines jeden Worts zum Wort nicht nur anbricht, sondern affirmiert wird, ohne daß ein Agens oder Adressat der Affirmation sich namhaft machen ließe, denn Nietzsche, apostrophiert, bricht auf: auseinander. Die Signatur zugrund, im Saum der zu Taschen ausgelegten Worte, schreibt in den Ruin der Semantik, im Augenblick des Umbruchs der Taschen zu Taschen, die Frage des Namens: der affirmierten Uneindeutbarkeit des Worts zum Wort - aus undurchsichtigen Gründen - ein.
Die anbrechenden Insektionen der anfangenden Zeilen des Aphorismus Elemente der Rache, in ihnen unter anderm, fragmentarisch, Elemente der Sprache, deren jedes aber zum regellos teilbaren zu entziffern, ausgelöst durch den Umbruch im Grundsatz der Semantik, «als ob nicht alle Worte Taschen wären», der die Bedingung möglicher Semantik, die Fassung des Wortes (und a fortiori von Wort) zum Wort, im Augenblick ihrer Grundlegung entsetzt: die Insektionen lösen den Schein gesetzter Zeilen und geprägter Worte, des gegebenen Wortes in seinem Umriß und Inbegriff vor Augen aus, aber auf. Sie kehlen, was plan, ablesbare Fläche schien, zum bebenden Relief, und präzisieren die gesammelte zur geteilten, teilbaren Aufmerksamkeit. Sie werfen die Frage nach der Weile oder Weide der Augen, der Dauer - oder Spanne - des verweilenden - innehaltenden, aufbrechenden - Augenblicks nicht weniger als der Schrift im Blick auf, die weder in der Auslegung zum les- und aus- und ablesbaren gemusterten Gewebe, noch zur unlesbaren aufgeht, sondern den Aufriß des Lesens, der Lettern zu Wörtern, Wörter zu beinhaltenden oder leeren, Taschen, auf- und zusammenzieht, das Beinhaltete - und wäre das nichts - aus- und herauszulesen, erschüttert. Die Insektionen erinnern ein Relikt antiker Mantik: sie diskutieren das Verhältnis der Spanne - tempus, templum - zum Schnitt - Tmesis -, der den Schein gegebner Ausdehnung, nämlich Raum, den Schein gegebner Dauer, nämlich Zeit, Spanne und Spannweite - etwa eines Wortes - nicht allein aus-, sondern aus ein ander schneidet: templum ist, in der Deutungspraxis römisch-etruskischer Auguren, das mit einem Krummstab - lituus - in den Himmel gezeichnete Kreuz, vier Fluchten oder Horizonte anzudeuten, in deren Schnittpunkt der Augur stand, den Flug der Vögel, der das Kreuz durchschnitt, zu deuten. Der Blick fängt und hält die Vögel nicht ins Kreuz, sondern setzt die gezogenen Spannen wie den Blick Insektionen durch die Flüchtigen aus. Vögel und templum kreuzen einander, im Blick, der sie kreuzt, den sie teilen, der im Auseinander des Augenblickes Zeit und Raum, temp-, zwischen Deuten und Bedeuten, aussetzt, beider Aufriß teilt. Anbrechende Lituuratur. Hier abbre.

(Beginn des Buches Mantisrelikte von Thomas Schestag zum Motiv der Mantis bei Jean-Henri Fabre, Maurice Blanchot und Paul Celan)